Himmlische Leidenschaft
Schutzmauer zu durchdringen, die Case gegen alle Empfindungen um sich herum errichtet hatte. Sie rührte etwas in seinem Inneren an auf eine elementare, furchteinflößende Weise.
Abrupt wandte er sich von ihr ab und starrte auf das einsame, geheimnisvolle Land hinaus.
Im Nordwesten spähten die schneebedeckten Gipfel einer fernen Gebirgskette über die Hochplateaus hinweg, die zwischen Bergen und Wüste lagen. Die Bergspitzen reflektierten ein weiches, cremiggelbes Licht. Bis auf die höchsten Teile der Gipfel wurde die Bergkette vollkommen von den unzähligen Reihen zerklüfteter, erodierter Felsplateaus verdeckt, die sich in allen Richtungen erstreckten und terrassenförmig zum Horizont hin abfielen.
Die Sonne sank rasch, bis sie nur noch eine Handbreit über den Bergen stand. Dämmerung senkte sich herab.
Der Hügel, auf dem Case und Sarah standen, war in der gewaltigen, atemberaubend schroffen Felslandschaft nicht bedeutender als ein Sandkorn.
Es wird Zeit, daß wir uns auf den Rückweg machen, dachte Case widerstrebend.
Als er sich wieder zum Rand des Felsvorsprungs umdrehte, ergoß sich schimmerndes orangefarbenes Licht über Plateaus und Hügel und ließ sie in blutrotem Feuer erstrahlen. Zungen von Mitternachtsschwarz leckten aus den tiefen Canyons und Bodenfalten herauf. Dunkelheit sammelte sich im Tal und stieg in einer schweigenden, unaufhaltsamen Woge aufwärts. Granitpfeiler und Felsnasen verwandelten sich im Licht der untergehenden Sonne in Feuersäulen, die lodernd vor dem rasch dunkler werdenden Himmel auf ragten.
Weites, wildes, unberührtes Land, wohin das Auge schaute. Nichts deutete darauf hin, daß irgendwo in dieser Steinwüste vielleicht Menschen siedelten. Es gab keine Straßen. Keine befestigten Wege. Kein Laternenlicht. Noch nicht einmal Rauch, der sich in den makellosen Himmel kräuselte.
Hier könnte man leben, dachte Case. Wirklich leben.
Keine Nachbarn, die sich um einen drängen. Keine Stadtleute, die ein falsches Lächeln zur Schau tragen und einem mit beiden Händen in die Taschen greifen.
Keine Erinnerungen.
Es gibt keinen anderen Ort wie diesen, nirgendwo auf der Welt.
Sollen sich doch andere Männer die wogenden grünen Hügel und weiten grünen Täler nehmen. Dies hier ist für mich. Rein und wild und frei von der Vergangenheit.
Ein unvertrautes Gefühl, hierherzugehören, so etwas wie eine Heimat gefunden zu haben, stahl sich über ihn hinweg. Er holte tief und langsam Luft, dann noch einmal und noch einmal, während er die schroffe, ruhige Schönheit des Landes in sich aufsog.
Tief unter ihm, entlang dem Grund des größten Canyons, verliefen zwei sich willkürlich schlängelnde Linien, wo sich Pyramidenpappeln und Weiden gegen das dunklere Land abhoben.
Der Lost River, dachte er. Lost River Canyon.
Wasser.
Er griff in die Tasche des Mantels, der einmal ein Uniformmantel der Konföderierten Armee gewesen war, aber schon seit langem aller glänzenden Knöpfe und Rangabzeichen beraubt worden war. Das Fernrohr war ein vertrautes, kühles Gewicht in seiner Hand. Er hob das schmale Ende an sein linkes Auge und begann, das Land in der Tiefe sorgfältig abzusuchen.
Doch ganz gleich, wie aufmerksam er hinschaute, er fand nur wenige Hinweise auf Wasser. In einigen felsigen Bodenvertiefungen wuchsen zwar vereinzelt Pyramidenpappeln, aber es gab nur ein gewundenes Band von Bäumen und Buschwerk, um auf das Vorhandensein eines Flusses hinzudeuten, der das ganze Jahr über Wasser führte.
Die Lost River Ranch verfügt über das einzige gute Wasser im Umkreis von vielen, vielen Tagesritten.
Ohne Wasser ist eine Ranch einfach undenkbar.
Und die einzige zuverlässige Wasserquelle ist bereits mit Beschlag belegt.
Dennoch wußte Case, daß er hierhergehörte, hier in dieses Land. Er war sich dessen so sicher, wie er sich noch keiner Sache in seinem Leben gewesen war.
Es gibt etwas, was auf mich wartet, nachdem ich mit den Culpeppers fertig bin, dachte er. Dieses Land.
Land, das nicht von Menschen verstümmelt oder ermordet werden kann.
Land, wo Platz zum Atmen ist, wo man sich ausdehnen und eine Ranch bauen kann. Neues Land, frei von schmerzlichen Erinnerungen.
Land, aber kein Wasser.
Nur die Lost River Ranch hat Wasser, das überhaupt der Erwähnung wert ist.
Und die Lost River Ranch gehörte Sarah Kennedy.
Gedankenverloren ließ Case das Fernrohr sinken und verstaute es wieder in seiner Manteltasche.
Ich könnte sie ja vielleicht heiraten, um die Ranch zu
Weitere Kostenlose Bücher