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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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gemacht – stell dir nur den Skandal vor, wenn Karim sich gedrückt hätte! Aber er hat ganz locker reagiert, sich mit allen irgendwie angefreundet und Saïd geholfen, das Gym auszubauen, und seitdem gehen ja alle Männer dorthin. Das finden sie gut, da fühlen sie sich wohl. Und dann ist sie gekommen.«
    »Inès«, sagte ich.
    Ein zustimmendes Nicken.
    »Ist sie nicht zusammen mit Karim gekommen?«
    Alyssa schüttelte den Kopf. »Nein, erst zur Hochzeit. Sie ist seine einzige Verwandte, und er liebt sie. Er will sie dauernd beschützen …« Alyssa schnaubte verächtlich. »Khee! Immer trägt sie den niqab, sogar im Haus. Sogar wenn mein Vater da ist. Sie tut wahnsinnig fromm und tugendhaft. Aber sie hat böse Augen. Das muss dir doch auch schon aufgefallen sein.«
    Früher hätte ich behauptet, dass ich nicht an das Böse glaube. Aber heute bin ich klüger.
    Ich dachte an Inès Bencharki, an den geringschätzigen Ausdruck in ihren großen dunklen Augen, an die Farben, die sie verzweifelt zu verstecken versuchte. Ist ein Skorpion böse, weil er keine andere Wahl hat, als zu stechen? Bei unserer ersten Begegnung habe ich keine gute Figur gemacht, das weiß ich. Ich habe mich von ihr überrumpeln lassen. Ich bin in die Falle getappt, eifrig, gutwillig, naiv. Ich habe mich absolut dilettantisch benommen. Beim nächsten Mal wird alles anders. Ich sagte: »Ich glaube nicht, dass sie böse ist.«
    Alyssa zuckte wieder die Achseln. »Du kennst sie nicht. In der Schule hatten die Mädchen alle Angst vor ihr. Sie ist nie nett, sie lacht nie, und man sieht sie nur mit dem niqab. Ihretwegen tragen ihn ja jetzt ganz viele Mädchen – und natürlich, weil Karim ständig verkündet, eine Frau mit niqab ist eine Königin.«
    »Er hängt offensichtlich sehr an ihr«, sagte ich.
    Sie verzog das Gesicht. »Das stimmt. Im Grunde ist sie die einzige Frau, die er wirklich liebt. Keine Ahnung, was er an ihr findet. Sie muss sehr schön sein. Oder sie ist eine Hexe, ein amar. Ich weiß jedenfalls, dass sie nicht seine Schwester ist.«
    »Wie kannst du dir da so sicher sein?«, wollte ich wissen.
    »Ich weiß es eben. Weil er sie so anschaut. Oder besser – weil er sie nicht anschaut. Wenn sie da ist, verhält er sich total anders. Alle verhalten sich anders. Sie ist wie der bittere Tropfen, der den Geschmack der Suppe verändert.«
    »Zahra Al-Djerba mag sie«, wandte ich ein.
    »Zahra will so sein wie Inès«, sagte Alyssa spöttisch. »Vorher hat sie nie über Politik geredet oder den niqab getragen. Und jetzt macht sie Inès alles nach und erklärt, wir müssen zu unseren Ursprüngen zurückfinden. Im Grunde will sie doch nur Karim beeindrucken. Aber er beachtet sie gar nicht.«
    »Erzähl mir mehr von Karim«, bat ich sie.
    Alyssa seufzte. »Ich friere. Können wir nicht nach Hause gehen?«
    »Doch, gern. Wir können ja unterwegs weiterreden.«
    Wie die meisten Opfer gibt Alyssa sich selbst die Schuld. Sie denkt, dass sie ihn irgendwie angestachelt haben muss, vielleicht, weil sie westliche Kleidung getragen hat – das war er ja nicht gewohnt. Wenn sie den hijab oder noch besser den niqab getragen hätte, wäre nichts passiert. Aber Alyssa ist jung und ahnungslos. Sie hat früher immer mit den Jungen auf dem Dorfplatz gespielt, hat Musik gehört und ferngesehen. Sie hat nichts gemerkt. Und als sie dann doch etwas gemerkt hat, war es zu spät, und sina war schon mit ihnen im Zimmer.
    »Zuerst haben wir uns gar nicht berührt«, erzählte sie. »Wir haben uns nur unterhalten. Aber schon da war mir klar, dass es nicht sein darf. Karim wollte mir helfen. Als er dann versucht hat, mit mir zu beten, habe ich immer nur an sein Gesicht gedacht und daran, wie er sich bewegt, und an seinen Mund, der irgendwie aussieht wie ein Pfirsich.«
    Er hatte Probleme mit Sonia, berichtete Alyssa. Am Anfang habe Sonia Schmerzen gehabt, wenn sie miteinander schliefen, und wollte deswegen nicht mehr. Das kränkte Karim, und er vertraute sich Alyssa an, weil sie und Sonia sich so nahestanden, aber da hatte sich das Verhältnis zwischen Karim und Alyssa schon vertieft und begann nun, sich langsam in etwas anderes zu verwandeln.
    »Unser erster Kuss war furchtbar. Karim hat sich selbst schreckliche Vorwürfe gemacht. Nicht mir. Er wäre sofort von hier weggezogen, aber dann hätte er meiner Schwester alles gestehen müssen. Wir haben Bittgebete gesprochen und es vermieden, zu zweit allein zu sein. Karim hat seine ganze Freizeit im Gym verbracht. Und ich

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