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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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habe angefangen, den hijab zu tragen. Ach, es war furchtbar. Wir haben doch im selben Haus gewohnt. Meine große Hoffnung war, wenn ich mich anders anziehe, öfter bete und mich überhaupt zusammenreiße, dann wendet sich alles zum Guten. Aber irgendwas in mir wollte sich nicht ändern. Und dann ist er eines Nachts in mein Zimmer gekommen.«
    Das war erst vier Wochen her. Seitdem war es noch zweimal passiert. Einmal, als die beiden allein im Haus waren. Und noch einmal im Hinterzimmer des Gyms. Beide Male flehte er sie hinterher um Vergebung an, und Alyssa nahm die ganze Verantwortung auf sich.
    Dann trat Inès auf den Plan.
    »Inès?«
    Alyssa nickte. »Ja. Vielleicht hat er ihr alles gestanden. Vielleicht hat sie es auch erraten. Jedenfalls wusste sie Bescheid.« Sie fröstelte. »Inès war total ruhig. Sie hat mir befohlen, mich von Karim fernzuhalten, sonst sagt sie es meinen Eltern und meiner Schwester. Und Sonia war ja schon im dritten Monat schwanger. Was hätte das bloß für sie geheißen? Und schließlich hat Inès mich durch den Schlitz in ihrem Schleier fixiert und gezischt: Glaubst du denn, du bist die Einzige? Glaubst du, das ist vorher noch niemandem passiert? Glaubst du, er kann dir gehören, wenn er doch schon mir gehört?«
    Wir näherten uns Armandes Haus. Innen war alles erleuchtet. Das Haus sah aus wie eine chinesische Laterne: fröhlich, festlich, einladend. Anouk und Rosette waren offenbar aufgestanden.
    Alyssa warf mir einen prüfenden Blick zu. »Du sagst auch wirklich keinem was?«
    »Versprochen.«
    Sie nickte kurz und heftig. »Ja, jetzt weißt du, weshalb ich da wegmusste. Inès hat es mir ja selbst gesagt – er gehört ihr. Sie hat ihn in ihrer Gewalt. Und seither beobachtet sie mich permanent und lauert darauf, dass sie mich ertappt. Sie redet nicht mit mir. Aber sie hasst mich. Das sehe ich an ihrem Blick.«
    »Warum ist sie denn bei euch ausgezogen?«
    Alyssa zog eine Grimasse. »Jiddo fand es furchtbar, dass sie auch im Haus immer den niqab trägt. Das kann er gar nicht leiden. Seiner Meinung nach sollen die Mädchen heutzutage keinen Schleier mehr tragen. Deswegen hat er sich die ganze Zeit mit meinem Vater gestritten. Und es passt ihm auch nicht, dass mein Vater dauernd im Gym ist. Saïd hält dort Hof, sagt er immer. Jedenfalls ist jiddo ausgezogen, und kurz danach ist auch Inès gegangen. Weil sie keinen Familienstreit auslösen will, sagt sie. Aber da war es schon zu spät. Sie hat alles vergiftet.«
    Wir standen auf Armandes Veranda. Es hatte aufgehört zu regnen, wenigstens für den Moment. Sogar der Wind hatte sich gelegt. Ich fragte mich, ob der Schwarze Autan sich endlich verabschiedete.
    »Tut mir leid, dass ich dich angeschrien habe«, sagte Alyssa. »Das war blöd von mir. Ich bin dir Dank schuldig.«
    Ich lächelte. »Du bist mir gar nichts schuldig. Aber jetzt geh rein, bevor du dich erkältest.«
    Im Haus toasteten Anouk und Rosette gerade ihre Frühstückscroissants. Auf dem Herd stand ein kleiner Topf mit heißer Schokolade. Es duftete nach Vanille und Gewürzen. Alyssa nahm den hijab ab und fuhr sich mit den Fingern durch die feuchten Haare.
    »Darf ich was davon haben?«, fragte sie.
    »Na klar. Aber was ist mit Ramadan?«
    Sie grinste schief. »Ich habe schon gegen so viele Vorschriften verstoßen, da macht eine Tasse heiße Schokolade auch nichts mehr aus. Mein jiddo sagt, die Gesetze des Islam sind zu einem Schleier geworden, der das Gesicht Allahs verdeckt. Die Menschen haben Angst, genauer hinzuschauen. Sie interessieren sich nur für die Oberfläche.«
    Ich schenkte ihr eine Tasse Schokolade ein. Die Schokolade schmeckte sehr gut – viel besser, als ich erwartet hatte, denn das Glas mit Kakaopulver in Armandes kleiner Vorratskammer war uralt. Als ich das zu Anouk sagte, rief sie: »Ach ja, stimmt! Die Lieferung ist gekommen. Ich habe sie unten hingestellt, da ist es kühler.«
    Gut. Ich hatte die Lieferung sehnsüchtig erwartet: eine Kiste mit Utensilien für meine Pralinen. Kuvertüre, ein paar Packungen Kakao, Schachteln, Reispapier, Schleifen und Formen. Genug, um meine Versprechen einzulösen.
    »Ich dachte, wir fangen mit Trüffeln an«, sagte ich.
    »Super.« Anouk war sofort einverstanden. »Dürfen wir mithelfen?«
    »Das will ich doch hoffen!«
    Rosette blickte von ihrem Frühstück auf und tutete. Sogar sie weiß, wie man Trüffel macht. Man wälzt sie in Kakaopulver, legt Schachteln mit Reispapier aus und packt sie da rein. Einfacher geht’s

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