Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
Erwachsene sind sie ziemlich eng, aber für eine Fünfjährige genau richtig. Maya trug pinkfarbene Gummistiefel und einen Pullover mit Froschmotiv. Unter den Arm hatte sie sich Tipo geklemmt, das undefinierbare Häkeltier, von dem sie sich anscheinend nicht trennen kann.
»Das ist Bam«, sagte ich. »Rosettes Spezialfreund. Den kann aber nicht jeder sehen. Ich glaube, er mag dich, Maya.«
Maya bekam vor Staunen riesige Kulleraugen. »Ist er ein Dschinn? Mein jiddo sagt, dass überall Dschinns sind. Manche sind nett. Und manche sind böse.«
Ich lächelte. »Bam ist ein Affe. Bei uns zu Hause hat Rosette nicht viele Freunde.«
»Ich hätte auch gern so einen Affen. Woher kommt er?«
Ich versuchte, es ihr zu erklären. »Weißt du, das habe ich von meiner Mutter gelernt. Es ist eine Art Zauber. Anouk hat auch einen Spezialfreund. Ihrer ist ein Hase. Er heißt Pantoufle.«
Das Mädchen schob die Unterlippe vor. »Ich möchte auch so ein Tier als Freund.«
»Das ist gar kein Problem, Maya. Du musst nur die Augen zumachen und dir eins vorstellen.«
Sie kniff die Augen so fest zu, dass sie am ganzen Körper zitterte. Rosette musste lachen und stupste sie an.
Sofort fing Maya an zu kichern. »Hör auf, Rosette.« Dann öffnete sie die Augen und grinste zurück. »Mal sehen, ob mein Dschinn schon da ist«, rief sie, und schon rannten die beiden Mädchen los, hüpften in ihren Gummistiefeln über den Steg, wie bunte Flummis.
Ich folgte ihnen. »Vorsicht!«, rief ich. »Der Steg kann sehr glitschig sein.«
Aber Rosette lachte nur und fing an zu singen: »Bam bam bam! Bam badda-bam!«
Maya stimmte mit ein. Im Rhythmus ihres Gesangs stampften die beiden über die Planken des Stegs und machten dabei so einen Lärm, dass die Tür des Hausboots aufging und Inès Bencharki den Kopf herausstreckte.
»Ich dachte, Sie möchten vielleicht ein paar von meinen Pralinen probieren«, sagte ich. »Ich habe Fatima und ihrer Mutter gerade welche vorbeigebracht.«
Inès nickte knapp. Heute trug sie einen niqab mit einem silbernen Streifen. Das stand ihr gut und unterstrich ihre wunderschönen Augen.
Ich hielt ihr die in Reispapier eingewickelten Pralinen hin. »Versuchen Sie eine. Es sind Ihre Lieblingstrüffel.«
»Ach, tatsächlich?«, sagte sie nur trocken.
Natürlich ist es kompliziert, bei einer Person, die so schwer zu durchschauen ist, die Lieblingspraline zu bestimmen. Inès nahm die Schokolade, wenn auch widerstrebend.
»Es ist schon nach Sonnenuntergang«, sagte ich. »Duften sie nicht herrlich?«
Sie hielt sich die Pralinen unter die Nase. Durch den Schleier konnte sie wahrscheinlich nicht besonders viel riechen. Mit ihrer halb singenden, halb krächzenden Stimme erwiderte sie: »Tut mir leid, aber mein Geruchssinn ist nicht besonders gut.« Ich sah, dass sie neugierig zu Rosette und Maya hinüberschaute.
»Das ist meine kleine Rosette«, erklärte ich, weil ich ihr Interesse spürte.
Inès sagte auf Arabisch etwas zu Maya.
Zuerst sah Maya aus, als wollte sie protestieren, dann zog sie eine Schnute.
Jetzt verschärfte Inès den Ton und redete so schnell, dass ich noch weniger verstand als sowieso schon.
Maya stampfte mit ihrem rosaroten Gummistiefel auf und flüsterte Rosette etwas ins Ohr. Dann rannte sie zwischen den Häusern davon und blieb nur kurz an der Ecke stehen, um Rosette zuzuwinken.
»Was haben Sie zu ihr gesagt?«, fragte ich Inès.
»Nur die Wahrheit. Dass es gefährlich ist, hier auf dem Steg zu spielen. Ihre Mutter weiß nicht, wo sie sich herumtreibt. Sie dürfte nicht allein hier draußen sein.«
»Sie war doch gar nicht allein. Sie war bei mir.«
Inès sagte nichts.
»Ist es nicht eher so, dass Sie es nicht gern sehen, wenn Maya mit Rosette spielt?«
Jetzt zuckte Inès die Achseln und legte den Kopf schief, die gleiche Geste wie bei Alyssa, wenn sie Gleichgültigkeit ausdrücken will.
»Rosette ist ein liebes Kind«, betonte ich. »Sie ist freundlich und mag alle. Und Maya hat doch keine Freundinnen.«
»Maya ist verwöhnt«, erwiderte Inès mit erstaunlich sanfter Stimme. »Genau wie Alyssa und Sonia. Wenn Eltern ihren Kindern erlauben, mit den Kindern der kuffar zu spielen und zu ihnen nach Hause zu gehen, wo sie dann mit Spielsachen spielen und Hunde streicheln, dann brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn ihre Töchter sich von der Familie abwenden und ihre Söhne vom rechten Weg abkommen.«
»Maya ist erst fünf«, wandte ich ein.
»Ja, und bald muss sie den hijab tragen.
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