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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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Dann werden die anderen Kinder in der Schule sie hänseln und sie fragen, warum sie keine Musik hört und sich anders anzieht. Selbst wenn ihre Eltern ›tolerant‹ sind, wie Sie sagen würden, und ihr erlauben, mit Spielzeug zu spielen und sich die Haare zu schneiden, selbst wenn sie im Fernsehen Zeichentrickfilme sehen darf und alles – sie bleibt trotzdem eine Maghrebinerin. Aber dann ist sie keine von denen und auch keine von uns.«
    Ich werde nicht so schnell böse, aber jetzt packte mich die Wut. Die Wut war wie eine Flamme ohne Rauch, blau und beinahe unsichtbar. »Nicht alle Leute hier sind so«, sagte ich.
    »Kann sein«, entgegnete sie. »Aber es gibt genug Leute, die nichts unternehmen, wenn andere schlecht über uns reden. Auch hier in Lansquenet. Glauben Sie, ich höre nicht, was sie über mich sagen? Der niqab macht mich weder taub noch blind. In Marseille sind mir die Männer hinterhergelaufen und wollten wissen, wie ich aussehe. Und an der Supermarktkasse hat einmal eine Frau in der Schlange versucht, mir den Schleier herunterzureißen. Jeden Tag bekomme ich mit, wie jemand sagt: Ihr gehört nicht hierher. Ihr seid keine Franzosen. Ihr seid Sozialschmarotzer. Ihr hasst die kuffar. Ihr wollt unser Essen nicht. Ihr sympathisiert mit den Terroristen. Sonst würdet ihr doch eure Gesichter nicht verstecken!« Sie klang jetzt richtig aufgebracht. »Jeden Tag höre ich jemanden sagen, dass der niqab demnächst verboten wird. Es geht doch keinen etwas an, was ich anhabe! Soll ich denn alles aufgeben?«
    Sie verstummte, außer Atem. Ich sah Überraschung in ihren Farben. Vielleicht war sie es nicht gewohnt, so offen mit Fremden zu sprechen. Wieder hielt sie sich die Pralinen an die Nase.
    »Sie haben recht«, sagte sie. »Die Pralinen riechen wirklich gut.«
    Ich lächelte. »Sie können sie später probieren. Ich lasse auch ein paar für Du’a hier.«
    »Sie kennen meine Tochter?«
    »Wir sind uns neulich begegnet. Ich glaube, sie ist ziemlich einsam.«
    Wieder veränderten sich ihre Farben. Die Überraschung wich den Blautönen von Kummer und Bedauern. »Wir sind ziemlich oft umgezogen, häufiger, als ich wollte. Aber hier geht es Du’a gut. Zu Hause hat sie keine Familie.«
    »Mein Beileid wegen Ihres Mannes«, murmelte ich.
    Ihre Farben leuchteten jetzt mit dem Sonnenuntergang um die Wette.
    »Wir beide sind gar nicht so verschieden, wie Sie denken«, sagte ich. »Ich bin früher auch oft umgezogen. Zuerst mit meiner Mutter, dann mit Anouk. Ich weiß, wie es ist, wenn man nicht dazugehört. Wenn einen alle anstarren. Wenn Frauen wie Caro Clairmont einen von oben herab behandeln, weil es keinen Monsieur Rocher gibt.«
    Ich spürte, dass sie genau zuhörte. Also hatte ich einen Nerv bei ihr getroffen. Es mag ein billiger Zaubertrick sein, aber er funktioniert immer, einfach immer. Aus dem Reispapier in ihrer Hand stiegen verschiedene Düfte auf: Bitterschokolade, verschmolzen mit Sahne, verfeinert mit Vanillemark, aromatisiert mit Rosenwasser, von Blüten, rot wie das Herz. Probier mich. Koste mich. Versuch mich.
    Und dann schaute sie mir in die Augen. Ich sah mein eigenes Spiegelbild. Einen Moment lang stand ich mit einem goldenen Heiligenschein vor dem prächtig erleuchteten Himmel.
    Ohne den Blick abzuwenden, sagte sie: »Madame Rocher. Bei allem Respekt, aber wir haben nichts gemeinsam. Ich bin Witwe. Das ist tragisch, aber kaum verwerflich. Ich war gezwungen, ins Ausland zu gehen, durch Umstände, die ich nicht beeinflussen konnte. Ich habe ein Kind, das ich zu Bescheidenheit und Gehorsam erzogen habe. Sie hingegen sind eine unverheiratete Frau mit zwei Kindern, ohne Glauben und ohne ein richtiges Zuhause. Und das macht Sie in unserem Kulturkreis zu einer Hure.«
    Mit diesen Worten streckte sie ihre behandschuhte Hand aus, um mir die Pralinen zurückzugeben, und ging wieder in das Hausboot. Genau in dem Moment begannen auf der anderen Flussseite die Kirchenglocken zu läuten. Ich stand da mit meinen Pralinen, hilflos, nutzlos, und die Tränen brannten mir in den Augen, als würde Feuer vom Himmel regnen.

9

    Mittwoch, 25. August
    Eine Hure sieht sie in mir? Klar, man hat mir schon schlimmere Dinge an den Kopf geworfen, aber nie so kalt und berechnend. Ein Skorpion, hat Omi gesagt. Ja, sie ist wirklich giftig. Durch und durch giftig. Ich ließ die Pralinen aufs Deck fallen und ging zurück zum Boulevard – ich rannte fast, denn ich fühlte mich wie eine Ertrinkende, so als hätte man mir einen

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