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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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wolltest. Und trotzdem sind wir beide gestorben.
    »Bam!«, rief Rosette. »Bam, bam, badda-bam!«
    So ist es fein, Rosette. Zeig es den Geistern. Sag ihnen, sie sollen uns in Ruhe lassen. Das ist nur der Schwarze Autan, der sich in meinem Hirn eingenistet hat, mir rastlose Gedanken in den Kopf pustet und meinen gesunden Menschenverstand in Frage stellt. Reynaud ist bestimmt bloß spazieren gegangen. Morgen früh ist er wieder da. Außerdem müssen wir noch Pralinen in Les Marauds ausliefern: Kokostrüffel für Omi, Trüffel mit Rosenwasser und Kardamom für Fatima und ihre Töchter, Chili-Trüffel für den alten Mahjoubi – die erwärmen das Herz und machen Mut. Und die letzte Portion geht an Inès, mit einer roten Seidenschleife. Ein Geschenk, das alle kulturellen Barrieren überwindet, das ein Lächeln auf verbitterte Gesichter zaubert und uns in eine Zeit süßer Einfachheit zurückführt. Beim letzten Mal hat es nicht geklappt, als ich auf Inès zugegangen bin. Ich bin unbewaffnet und ahnungslos zu ihr gekommen. Dieses Mal ist es anders.
    Dieses Mal habe ich ihre Lieblingspralinen dabei.

6

    Mittwoch, 25. August
    Ich kann nicht lange ohnmächtig gewesen sein, aber als ich aufwachte, war es dunkel. Kopf und Rücken taten mir weh. Wer immer mich hierhergeschafft hatte – besonders sanft war er nicht gewesen.
    Wo war ich überhaupt? Vorsichtig richtete ich mich auf. Ich befand mich in einer Art Verlies. Der Fußboden war gefliest, es roch muffig nach Keller. Der Raum war kalt und feucht.
    In der Nähe hörte ich den Fluss, ein gewaltiges, unablässiges Rauschen und Brausen. Er war jetzt besonders laut, weil er vom Regen Hochwasser hatte und alle möglichen Abfälle mit sich brachte, ein unaufhaltsamer Moloch.
    Ich rief: »Hallo?«
    Keine Antwort.
    Ich hätte noch einmal rufen können, ließ es aber bleiben. Vielleicht hatte ich es mit einem der Männer zu tun, von denen ich neulich zusammengeschlagen worden war. Wenn ja, verspürte ich wenig Lust auf ein Wiedersehen.
    Ich versuchte, meine Umgebung zu erkunden. Vorsichtig tastete ich mich durch die Dunkelheit. Der Raum fühlte sich riesig an, wie ein Ballsaal. Ich stieß auf mehrere leere Holzkisten, ein paar Brocken Putz, feuchte Pappkartons, einige Stapel alter Zeitungen, und schließlich gelangte ich zu einer Steintreppe, die zu einer abgeschlossenen Tür hinaufführte. Die Tür hatte auf meiner Seite keine Klinke. Ich trommelte mit den Fäusten dagegen. Niemand kam. Die Tür war solide. Und weil der Fluss so laut rauschte, konnte ich mein Getrommel selbst kaum hören.
    Mon père, ich weiß, es klingt absurd, aber am Anfang hatte ich überhaupt keine Angst. Ich begriff die Situation gar nicht richtig. Irgendwie redete ich mir ein, es sei nur eine Art Alptraum, hervorgerufen durch Stress und Erschöpfung oder durch den immer noch akuten Schmerz in meiner Hand. Erst jetzt macht sich die Angst bemerkbar, ein unwillkommener Gast, der nach und nach vom ganzen Haus Besitz ergreift. Ich merke, dass es doch nicht gänzlich dunkel ist hier: Ein schwaches Rechteck aus Tageslicht rahmt die Tür am Ende der Treppe ein, und an der gegenüberliegenden Wand befindet sich hoch oben ein Gitter, so ähnlich wie beim Beichtstuhl, und durch dieses Gitter fällt ein blasser Lichtschimmer.
    Jetzt, da meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben, kann ich auch wieder räumlich sehen, ich kann Formen erkennen, und ich sehe das bedrohliche Funkeln des Wassers. Der Boden ist abschüssig, und das tiefere Ende liegt unter Wasser – daraus schließe ich, dass ich mich in einer der ehemaligen Gerbereien befinde. Wenn der Wasserspiegel steigt, wird sich der Kellerraum bedrohlich schnell mit Wasser füllen. Das habe ich in Les Marauds schon mehr als einmal erlebt, und genau deswegen sind die meisten Häuser am Boulevard abbruchreif.
    Seit ungefähr einer Stunde tröpfelt ein kleines Rinnsal aus dem Gitter an der Wand. Es wird immer stärker, inzwischen rinnt das Wasser fast lautlos an der Wand herunter und sammelt sich im tiefer liegenden Ende des Raums. Die Wasserlache bedeckt jetzt schon die Hälfte des Fußbodens.
    Wer hat mich hierhergebracht? Und warum? Will man mich einschüchtern? Ich gebe zu, dass ich Angst habe. Aber vor allem bin ich wütend, père. Dass jemand mir so etwas antut – mir, einem Vertreter der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche.
    Natürlich könnten Sie einwenden, dass ich weggelaufen bin. Ich wollte meiner Pflicht entkommen. Wie ein Dieb in

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