Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
schauten sich an und kicherten.
»Haben Sie mit Karim gesprochen?«, fragte ich Caro. »Hat er Ihnen gesagt, dass seine Schwester Les Marauds verlassen hat?«
Sie nickte. »Wir sind gut mit ihm befreundet. Ein sehr netter Mann, progressiv, höflich und völlig unpolitisch, ganz anders als der alte Mahjoubi. Wenn nur alle so wären wie er.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie ihn so gut kennen. Und seine Schwester?«
»Inès. Wenn Sie mich fragen, ist er ohne sie besser dran.«
Fast genauso hatte sich Joséphine ausgedrückt.
»Warum?«
Caro rümpfte die Nase. »Die Frau ist eine Belastung. Sie stößt alle Welt vor den Kopf. Karim hat sich so bemüht, die Gemeinde ins einundzwanzigste Jahrhundert zu führen. Er kümmert sich selbstlos um seine Schwester, die ziemlich unausgeglichen ist, und er sorgt auch für ihr armes Kind. Er hat als Erster begriffen, dass der alte Mahjoubi abgelöst werden muss, und das Fitness-Studio zu dem gemacht, was es heute ist. Bevor er hierhergekommen ist, war es ein Betonloch mit ein paar Laufbändern. Jetzt ist es ein echtes Gym, ein Treffpunkt, wo gesunde junge Männer hingehen können, statt Alkohol zu trinken.« Mit hochgezogenen Augenbrauen fixierte sie Joséphine. »Wenn doch nur unsere Jungen so etwas hätten.«
»Sie haben früher hier gespielt«, erwiderte Joséphine. »Ich weiß noch, wie Luc mit Alyssa und Sonia Fußball gespielt hat.«
Caro schnaubte verächtlich. »Ach, Sie verstehen diese Kultur nicht. Man kann nicht erwarten, dass Jungen und Mädchen etwas miteinander unternehmen. Daran sind diese Menschen nicht gewöhnt, und es kann zu allerlei Problemen führen.« Sie lächelte zuckersüß. »Sie sollten ein Auge darauf haben.«
»Warum?«, fragte Joséphine leise.
»Nun ja, Ihr Sohn versteht sich ja offenbar sehr gut mit Inès Bencharkis Tochter. Und da man gesehen hat, was passiert, wenn sich die Kinder zweier Kulturen zusammentun …« Ihre Miene verdüsterte sich, und sie verstummte abrupt. Vielleicht war ihr Luc eingefallen. »Ich meine doch nur, wir müssen aufpassen.« Sie bedachte Georges mit einem kurzen, kühlen Blick. Er hatte bisher keinen Pieps von sich gegeben. »Manche Menschen passen einfach nicht zu unserer Form des Zusammenlebens.«
»Menschen wie Inès?«, fragte ich. »Oder wie Alyssa Mahjoubi?«
Caro erstarrte. »Natürlich sind Sie darüber besser informiert als ich«, sagte sie. Dann wandte sie sich an Père Henri: »Kommen Sie, mon père. Wir haben noch viel zu tun.«
Mit diesen Worten schritt sie samt Hofstaat weiter zur Kirche, wo in Reynauds Abwesenheit derzeit die alten Bänke durch praktische Plastikstühle ersetzt werden. Bald werden dann noch große Videoleinwände geliefert, die demonstrieren sollen, dass auch in Saint-Jérôme das einundzwanzigste Jahrhundert angebrochen ist.
8
Donnerstag, 26. August
Joséphine kochte vor Wut. »Wie können sie Reynaud das antun? Sie wissen doch, wie sehr er diese Kirche liebt. Das würden sie nie wagen, wenn er hier wäre!«
Damit hatte sie recht. Ähnlich wie der alte Mahjoubi war auch Francis Reynaud kein Freund neumodischer Entwicklungen. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, wie zwei Männer, die so viel gemeinsam haben, zu so erbitterten Feinden werden konnten.
»Komm mit zu mir«, schlug ich Joséphine vor. »Wir trinken heiße Schokolade und reden. Hier können wir sowieso nichts tun.«
Also gingen wir zurück zu Armandes Haus. Ich kochte Schokolade mit Kardamom und schob ein Blech mit Pfirsichtaschen in den Herd, die nur zwanzig Minuten brauchten. Dafür verwendete ich die frisch eingekochte Marmelade und etwas Schlagsahne mit Armagnac. Rosette und Maya halfen mit und richteten in der Küche ein heilloses Durcheinander an. Rosette sang ihr stummes Lied, und Maya stimmte feierlich mit improvisierten Versen ein, wozu sie mit einem Holzlöffel auf den Tisch schlug:
»Selbst-ge-maaach-te
Mar-me-laaa-de,
Bam badda-bam!
Marmelade von Vianne – für Ra-ma-dan!«
Joséphine musste lachen. »Und ich denke immer, Jungs sind besonders spaßig!«
»Wir müssen meinem jiddo heute Abend welche bringen«, sagte Maya, als die Pfirsichtaschen fertig waren. »Er kann sie zum iftar essen. Mein Dschinn hat Zauber reingetan, damit er wieder ganz gesund wird.«
»Das hoffe ich auch.«
Es muss ja nicht unbedingt Zauberei sein – aber wir haben alle unsere kleinen Geheimnisse. Ein Flüstern, ein Zeichen, eine Messerspitze Gewürz. Eine Karte, die Mut macht. Ein Lied.
Maya strahlte. »Es
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