Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
»Ja, sehr gut sogar.«
Sie war sichtlich erleichtert. »Ich wusste es! Luc hat uns geholt. Ich dachte, es ist okay, wenn wir uns alle zusammentun.«
Neugierig musterte ich Alyssa. Sie trug einen Strohhut, um ihre Haare vor der Farbe zu schützen, und schien mit ihrem hijab auch alle ihre Probleme abgelegt zu haben.
»Ich glaube, niemand beachtet mich, wenn ich keinen hijab trage«, sagte sie. »Ich bin direkt an Poitous Bäckerei vorbeigelaufen, und niemand hat mich auch nur angeschaut.«
»Wir sind über die Feuertreppe reingekommen«, verkündete Pilou. »Keiner weiß, dass wir hier sind. Außer euch und Sputnik.«
»Sputnik?«, fragte ich.
»Meine Katze.«
»Deine was?«, rief Joséphine.
Pilou schenkte ihr sein strahlendstes Lächeln. »Ich hab Sputnik neulich dabei erwischt, wie er den Welpen das Futter klauen wollte. Beißer hat ihn gebissen.«
»Aha.«
»Willst du mithelfen, Vianne? Ich brauche Hilfe bei der Wandmalerei. Und Rosette möchte überall ihre Affen draufmalen, und mit den Schlafzimmern oben haben wir noch gar nicht angefangen.«
»Heute geht’s leider nicht«, erwiderte ich. »Ich suche eure Freundin Du’a und ihre Mutter.«
Ich erzählte ihnen, dass das Boot weg war. Wie erwartet, hatte seit gestern keins der Kinder Inès und ihre Tochter gesehen. Warum war Inès so plötzlich verschwunden, ohne einer Menschenseele Bescheid zu sagen? Und was war mit Monsieur le Curé? Auch über ihn wusste niemand etwas.
Wir überließen die Kinder ihren Malerarbeiten und gingen. Nur Rosette und Maya wollten unbedingt mitkommen. Die beiden rannten aus dem Laden hinaus in die Sonne, wo Poitou vor der Kirche saß und mürrisch sein Käsebaguette kaute. Er hob überrascht den Kopf.
»Was machen Sie denn da drinnen?«, fragte er. »Wissen Sie nicht, dass das Haus der Burka-Frau gehört?«
»Genau die suchen wir.«
Er zog eine Grimasse. »Na dann, viel Glück! Wohnt sie nicht irgendwo in Les Marauds?«
»Ich glaube, sie ist fort.«
»Hm, hier habe ich sie seit Tagen nicht mehr gesehen.« Plötzlich kam ihm eine Idee. »Vielleicht ist sie gemeinsam mit Monsieur le Curé durchgebrannt. Der hat nämlich letzte Woche hier gearbeitet. Hat den Dreck weggeräumt, den er selbst verursacht hatte.« Poitou lachte dröhnend, aber Joséphine und ich ließen uns davon nicht anstecken. So ganz war es allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass Reynauds Weggehen etwas mit dem Verschwinden von Inès Bencharkis Boot zu tun haben könnte. Schließlich hatten wir keine zwanzig Schritte von der Anlegestelle entfernt seinen Rosenkranz gefunden. »Ist Reynaud mit dem Boot losgefahren?«, überlegte ich laut.
Joséphine war anderer Ansicht. »Ich glaube, die Frau hat das Boot genommen«, sagte sie. »Vielleicht hat sie den Motor repariert. Oder das Boot flussabwärts gesteuert. Vielleicht hat sie es ja auch verkauft. Ehrlich gesagt wäre mir das auch egal. Hauptsache, sie ist weg. Das ist es wert.«
»Dann hat Karim also doch recht. Sie ist tatsächlich verschwunden«, sagte da jemand hinter uns.
Ich drehte mich um, und mir bot sich ein höchst unerfreulicher Anblick. Zielsicher steuerte Caro auf uns zu, im Schlepptau ihren Mann Georges, der ein betretenes Gesicht machte. Neben den beiden ging Père Henri. Er bedachte mich mit einem breiten, nichtssagenden Lächeln und tätschelte Maya den Kopf.
Maya funkelte ihn böse an. »Mein Dschinn mag dich nicht«, knurrte sie.
Père Henri war sprachlos.
»Mein Dschinn wohnt in einer Höhle«, fügte sie hinzu. »Er hat Ratten. Und mir hat er drei Wünsche geschenkt.«
Père Henris Mund verzog sich zu einem grotesken Clownsgrinsen. »Was für ein originelles Kind«, murmelte er.
»Bedauerlich, dass man ihr erlaubt, so herumzustromern«, sagte Caroline und warf einen vielsagenden Blick auf Rosette. »Nach allem, was zurzeit in Les Marauds geschieht, hätte ich doch angenommen, dass die Leute ihre Kinder keinesfalls ohne Aufsicht herumlaufen lassen.«
Rosette machte eins ihrer typischen Geräusche – ein freches kleines Plopp mit der Zunge. Im selben Moment versank einer von Caros Stilettoabsätzen in einem Spalt zwischen zwei Pflastersteinen. Sie versuchte ihn herauszuziehen, doch der Absatz steckte fest.
»Rosette!«, zischte ich.
Meine kleine Tochter schaute mich mit Unschuldsmiene an und schnalzte wieder mit der Zunge. Caros Absatz löste sich so abrupt, dass der Schuh in hohem Bogen über den Platz flog. Père Henri lief los, um ihn zu holen.
Maya und Rosette
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