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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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geklaut. Vielleicht auch die Maghrebiner. Ich kapiere das nicht. Warum interessiert Joséphine das überhaupt? Verstehst du das? Sie benutzt das Boot doch nie, jedenfalls nicht mehr, seit ihr Karottenkopf abgehauen ist.«
    Ihr Karottenkopf. Ich hätte ihm gern gesagt, wie sehr er sich irrt. Aber ich werde mich hüten, Joséphines Geheimnis preiszugeben. Also sagte ich: »Richte ihr bitte aus, dass ich hier war.«
    Wieder lachte er höhnisch. »Wenn du glaubst, ich hätte Zeit, stundenlang hier rumzusitzen und irgendwelche blöden Nachrichten zu übermitteln …«
    »Sag ihr, dass ich morgen wiederkomme.«
    »Ich kann’s kaum erwarten«, entgegnete Paul-Marie.

12

    Freitag, 27. August
    Als ich zu Armandes Haus zurückkam, wartete Alyssa schon auf mich. Sie trug ihre schwarze abaya sowie ein Kopftuch. Jetzt sah sie vollkommen anders aus als das Mädchen, mit dem ich die letzten Tage hier zusammengewohnt hatte – fast hätte ich sie nicht erkannt.
    »Ich wollte mich noch bedanken, bevor ich gehe«, sagte sie.
    »Du gehst also nach Hause?«
    Sie nickte. »Jiddo weiß, was ich getan habe. Er sagt, es ist nicht meine sina. Und er sagt, dass Karim nicht der Mann ist, als der er sich ausgibt. Mein Vater ist ein guter Mensch, aber er fühlt sich vielleicht zu leicht geschmeichelt, sagt mein jiddo. Und meine Mutter achtet zu sehr auf Äußerlichkeiten.« Sie lächelte betrübt. »Mein jiddo ist ja vielleicht sehr alt, aber er ist ein großer Menschenkenner.«
    »Meinst du, er erzählt deinen Eltern, was passiert ist?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Und du, erzählst du es ihnen?«
    Ihr typisches Achselzucken. »Mein jiddo sagt, das würde alles nur noch schlimmer machen. Was passiert ist, kann man nicht ungeschehen machen. Wir können nur beten, dass Allah uns vergibt, und versuchen, unser Leben weiterzuleben.«
    Vielleicht war das ja möglich, sagte ich mir. Alyssa zumindest scheint davon überzeugt zu sein und glaubt in ihrem jugendlichen Optimismus, dass sie die Vergangenheit auslöschen kann. Doch die Vergangenheit ist unerbittlich, und sie drückt uns genauso viele Stempel auf, wie wir umgekehrt versuchen ihr aufzudrücken. Kann Alyssa Frieden finden in ihrer anderen Welt?
    Ich versuchte, nicht an das zu denken, was Inès gesagt hatte. Ein Mädchen sieht ein junges Vögelchen aus dem Nest fallen. Die Kleine hebt das Vögelchen auf und nimmt es mit nach Hause. Danach gibt es zwei Möglichkeiten: Das Vögelchen stirbt gleich – oder es überlebt ein paar Tage, und die Kleine bringt es dann zurück zu seiner Familie. Doch nun haftet an ihm der menschliche Geruch, und die Vogelfamilie nimmt es nicht mehr an. Das kleine Wesen verhungert, oder es wird von der Katze gefressen. Oder die anderen Vögel picken es zu Tode. Was das Kind, wenn es Glück hat, nie herausfindet.
    Aber ich bin kein Kind, Inès. Alyssa ist kein Vögelchen. Wird ihre Familie sie wieder aufnehmen? Das hoffe ich. Wenn nicht, dann ist sie stark genug, um alleine zu überleben, auch ohne die Hilfe ihrer Verwandten. Im Laufe der wenigen Tage, die Alyssa bei uns verbracht hat, habe ich ja gesehen, wie sie sich verändert. Sie ist kein ängstliches Vögelchen mehr, sie beginnt ihre Flügel auszubreiten. Wird sie wirklich ins Nest zurückkehren und so tun, als könnte sie nicht fliegen?
    Wir gingen zusammen zum Haus der Al-Djerbas, wo uns der alte Mahjoubi erwartete. Äußerlich wirkte er ganz ruhig, aber seine Farben waren turbulent. Grau, durchsetzt mit Blutorange und Schwarz – ich konnte sehen, wie aufgeregt er war.
    »Kommen Sie zurecht?«, fragte ich ihn.
    »Inshallah«, erwiderte der alte Mahjoubi.
    Mayas Gesicht erschien in der Tür. »Ich möchte auch mit. Dann kann ich nämlich Rosette zeigen, wo mein Dschinn wohnt. Er ist mir noch einen Wunsch schuldig.«
    Rosette schaute mich an und gebärdete: Ich will mit und Foxy sehen.
    »Einverstanden«, sagte ich. »Aber lauft nicht zu weit.« Ich wandte mich wieder dem alten Mahjoubi zu. »Soll ich Sie begleiten?«
    »Nein, danke.« Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube, es ist leichter, wenn ich allein mit meinem Sohn spreche. Die Zeit ist reif, mein Stolz und mein Zorn haben mir schon viel zu lang im Weg gestanden. Es wäre nie so schlimm gekommen, wenn ich auf mein Gewissen gehört hätte, statt auf den Stolz. Ich werde das nicht mehr zulassen. Ich war blind, aber jetzt sehe ich, und Allah möge mir die Kraft geben, auch andere sehend zu machen.«
    Ich nickte. »Sehr gut. Aber wenn Sie Hilfe brauchen

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