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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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um ihn durchzulassen.
    »Es gibt eine Geschichte, die manche von euch sicher kennen«, verkündete er. »Ein Gelehrter und sein Schüler unternehmen gemeinsam eine Reise. Sie kommen an einen Fluss. Der Fluss hat Hochwasser. Sie sehen eine junge Frau da stehen. Die Frau kann den Fluss ohne fremde Hilfe nicht überqueren, also hebt der Gelehrte sie hoch und trägt sie ans andere Ufer. Viele Meilen später fragt der Schüler den Gelehrten: ›Warum habt Ihr der Frau geholfen, Meister? Sie war allein, ohne Begleitung. Sie war jung und schön. Sicherlich hätte sie nicht dort am Fluss sein dürfen. Sie hätte versuchen können, Euch zu verführen. Aber Ihr habt sie trotzdem hinübergetragen. Warum?‹ Der Gelehrte lächelte und antwortete: ›Ich habe sie ans andere Ufer getragen. Aber du trägst sie jetzt die ganze Zeit.‹«
    Als der alte Mahjoubi verstummte, schwiegen alle, die Gesichter ihm zugewandt. Paul-Marie war immer noch totenbleich. Ich sah Caro Clairmont, Louis Acheron und auch Saïd Mahjoubi, der nun wie gelähmt wirkte.
    Da meldete sich Karim wieder zu Wort, aber er sprach gedämpfter als vorher, und zum ersten Mal konnte ich in seinen Farben Zeichen von Unsicherheit entdecken.
    »Verschwinde, alter Mann.«
    Mahjoubi machte einen Schritt auf ihn zu.
    »Ich habe gesagt, verschwinde. Wir haben Krieg.«
    Mahjoubi trat noch näher. »Ein Krieg gegen Frauen und Kinder?«
    »Ein Krieg gegen die Unmoral, die Sittenlosigkeit!« Karims Stimme wurde richtig schrill. »Ein Krieg gegen das Gift, das uns alle anstecken wird, wenn wir uns nicht wehren. Schau dich doch an, du alter Narr. Du merkst nicht mal, was direkt vor deiner Nase geschieht. Du begreifst nicht, was getan werden muss! Allahu akbar!«
    Mit diesem Ruf hielt er das Feuerzeug dicht an Du’as Gesicht. Wieder ein Klick, ein Rauschen, und danach passierte alles gleichzeitig:
    Die Menge stöhnte auf, als Karims rechter Arm in Flammen aufging. Genau wie Du’as abaya. Das Mädchen schrie laut, und für den Bruchteil einer Sekunde sah ich durch die aufsteigenden Flammen Karims Gesicht – der ekstatische Ausdruck veränderte sich abrupt, als ihm bewusst wurde, was er getan hatte. Die Flammen wechselten von bläulich zu gelb und loderten zu seinem Gesicht hinauf. In dem Moment kam jemand angestürmt – eine schwarze Gestalt, wild entschlossen. Es war Inès, mit ausgebreiteten Armen, ihre abaya flatterte wie Flügel, als sie die brennenden Gestalten umfing.
    Darauf war Karim nicht gefasst gewesen. Er taumelte gegen das Geländer, ließ aber Du’as Hand nicht los. Das Holz war brüchig, altes Kiefernholz, ausgebleicht von zwei Jahrhunderten Sonne und Regen.
    Der Aufprall war so heftig, dass das Geländer nachgab und alle drei in einer Wolke aus Feuer und Rauch in den Fluten des Tannes versanken.
    Fast gleichzeitig warf sich noch eine vierte Gestalt in die Wogen. Wie ein eleganter Vogel, der ihnen folgte. Ich hatte gerade noch genug Zeit, um die roten Haare zu sehen und seinen Namen zu rufen: »Roux!«
    Wir rannten ans Geländer. Zuerst sahen wir nur Du’as zerfetzte abaya auf dem Wasser treiben, flussabwärts vom Landesteg. Dann tauchte etwas auf, ein roter Blitz, etwas Helleres, verschwommen – es war Roux, der mit Du’a auf dem Rücken zum Ufer schwamm.
    Später stellten wir fest, dass eigentlich nur ihr schwarzes Gewand von den Flammen angegriffen worden war. Ihr kamiz darunter war unbeschädigt, und selbst ihre Haare waren kaum versengt.
    Obwohl Roux lange nach ihnen im Wasser suchte, blieben Inès und ihr Sohn verschollen.

13

    Mittwoch, 1. September
    Unser Heiland brauchte für die Auferstehung drei Tage. Bei mir dauerte es etwas länger, daran ist leider nicht zu rütteln. Nach allem, was ich höre, war es eine ziemliche Prozedur. Jemand brachte mich nach Hause – ich weiß nicht, wer. Wenn ich den Geschichten Glauben schenke, die man sich in Lansquenet erzählt, dann waren es über hundert Leute, die mich gerettet haben.
    Man stelle sich die Szene vor: Caro Clairmont in der Rolle der Maria Magdalena, Père Henri als der heilige Petrus. Ja, er war plötzlich da, Caro hatte ihm eine SMS geschickt, statt die Polizei zu rufen, und sobald er mit seiner Predigt in Pont-le-Saôul fertig war, kam er hierhergeeilt, um den großen Retter zu spielen. Aber da war die Krise bereits überwunden, und seine Schäfchen bemerkten seine Anwesenheit gar nicht richtig.
    Er wollte mir die Letzte Ölung geben. Caro wäre einverstanden gewesen, wenn Joséphine nicht

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