Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
warf einen kritischen Blick auf mein rußig verschwitztes Äußeres. »Hatten Sie die Absicht, heute Abend teilzunehmen? Ich habe Ersatzkleidung in der Sakristei, die ich Ihnen gerne …«
»Nein, danke.«
»Mir ist aufgefallen, dass Sie weder in der Messe noch bei der Kommunion oder bei der Beichte waren, seit …«
»Vielen Dank. Ich werde es im Sinn behalten.«
Als würde ich je die Hostie von ihm entgegennehmen! Und was die Beichte betrifft – nun ja, père, ich weiß, es ist eine Sünde, deshalb will ich es folgendermaßen ausdrücken: Der Tag, an dem ich mir von ihm eine Buße auferlegen lasse, wird der Tag sein, an dem ich die Kirche für immer verlasse.
Er musterte mich mitleidig. »Meine Tür steht immer offen«, sagte er.
Und dann, mit einem letzten leuchtenden Zahncremereklame-Lächeln, verschwand er, während ich alles andere als entspannt zurückblieb, die Fäuste hinter dem Rücken geballt.
Das reichte. Ich beschloss, Feierabend zu machen, und ging nach Hause, ehe sich die Gottesdienstbesucher auf dem Platz versammelten. Die Glocken verfolgten mich auf dem ganzen Weg, und als ich vor meiner Tür stand, stellte ich fest, dass jemand sie mit schwarzer Farbe besprüht hatte. Es konnte nicht lange her sein, denn die Dämpfe waren in der warmen Luft noch zu riechen.
Ich blickte mich um, sah aber nur drei Jungen mit Mountainbikes am Ende der Rue des Francs Bourgeois. Teenager, soweit ich das aus der Entfernung feststellen konnte, einer in einem lockeren weißen Hemd, die anderen beiden in T-Shirts und Jeans, alle drei mit den karierten Schals, die arabische Männer manchmal tragen. Sie sahen mich und fuhren sofort blitzschnell davon, in Richtung Les Marauds. Dabei riefen sie etwas auf Arabisch. Ich verstehe die Sprache nicht, aber dem Tonfall und ihrem Gelächter entnahm ich, dass es kein Kompliment gewesen war.
Ich hätte ihnen hinterherrennen können, mon père. Ja, vielleicht hätte ich das tun sollen. Aber ich war müde, und – das gebe ich zu – ich hatte auch ein bisschen Angst. Also ging ich ins Haus und sofort unter die Dusche. Dann goss ich mir ein Bier ein und machte mir ein Sandwich.
Aber durchs offene Fenster drang immer noch das Glockenläuten, das zur Messe rief, und außerdem die Stimme des Muezzins, die vom anderen Ufer des Flusses herüberwehte wie eine Rauchwolke in der Abendluft. Ich hätte gern gebetet, aber ich musste dauernd an Armande Voizin denken, an ihre blitzenden schwarzen Augen, ihre unverfrorene Art und wie sie über all das hier nur gelacht hätte.
Vielleicht sah sie mich ja. Die Vorstellung gefiel mir. Und schon holte ich mir noch ein Bier und schaute zu, wie die Sonne hinter dem Tannes unterging, während im Osten über Lansquenet eine feine Mondsichel erschien.
4
Dienstag, 17. August
Heute Morgen sind Rosette und ich losgezogen, um herauszufinden, was mit Joséphine los ist. In Les Marauds waren sämtliche Läden geschlossen – ein Kleiderladen, ein Lebensmittelgeschäft, ein Laden, der Stoffballen verkauft –, aber wir entdeckten ein kleines Café. Dort wischte ein Mann in einer weißen djellaba und mit einer Gebetsmütze auf dem Kopf betont mürrisch die Tische ab. Als er mich in der Tür stehen sah, unterbrach er seine Arbeit gerade lang genug, um zu knurren: »Wir haben geschlossen.«
Das hatte ich mir schon gedacht. »Wann machen Sie auf?«
»Später. Heute Abend.« Er warf mir einen Blick zu, der mich stark an Paul Muscat erinnerte, als dieser das Café des Marauds führte: ein Blick, der den anderen genau taxiert und zugleich seltsam feindselig wirkt. Dann widmete sich der Mann wieder seinen Tischen. Nicht alle Menschen hier sind gastfreundlich.
Rosette machte Zeichen: Mann nicht nett, Gesicht nicht nett. Wir gehen.
Bam war so sichtbar, wie er nur sein kann, eine leuchtend orangegelbe Krakelfigur bei ihren Fersen. Ich sah, wie ein verschmitztes Grinsen über Rosettes Gesicht huschte – die Mütze rutschte dem Mann vom Kopf und landete auf dem Fußboden.
Rosette gab ein leises Summen von sich.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Bam einen Purzelbaum schlug.
Schnell nahm ich meine Tochter an der Hand. »Ist schon gut, Rosette. Wir gehen«, sagte ich. »Das ist sowieso nicht das Café, in das wir wollen.«
Aber als wir ins Café des Marauds kamen, trafen wir dort nicht Joséphine, sondern ein schlechtgelauntes, etwa sechzehnjähriges Mädchen an. Die junge Dame hockte hinter dem Tresen und sah fern. Sie erklärte mir, Madame sei nach Bordeaux
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