Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
grobkörnigem Sand und kann fast als ein kleiner Badestrand durchgehen. Rosette war dort in Sicherheit, beschloss ich und ließ sie mit ihren neuen Freunden spielen, während ich langsam meine citron pressé trank und über meine alte Freundin nachdachte.
Madame Bonnet hatte also einen Sohn. Und wer war der Vater? Sie hatte ihren Namen behalten, was bedeutete, dass sie nicht wieder verheiratet war. Heute war außer Marie-Ange niemand hier, nirgends der Hinweis auf einen Partner. Klar, ich habe den Kontakt zu meinen hiesigen Freunden verloren, als ich nach Paris zog. Ein anderer Name, ein anderes Leben, und Lansquenet war verschwunden, zusammen mit so vielen Dingen, von denen ich gedacht hatte, ich würde sie nie wiedersehen. Roux, der hiergeblieben war und mir die neuesten Neuigkeiten hätte berichten können, war noch nie ein guter Briefeschreiber gewesen, er schickte mir damals immer nur Ansichtskarten mit einem einzigen Satz, der mir mitteilte, wo er sich gerade aufhielt. Aber er hat immerhin vier Jahre in Lansquenet gelebt, die meiste Zeit hier im Café. Ich weiß, dass er Tratsch nicht ausstehen kann, aber er wusste genau, wie eng Joséphine und ich befreundet waren – weshalb hat er mir dann nie von ihrem Kind erzählt?
Ich trank mein Glas aus und bezahlte. Die Sonne brannte schon sehr heiß. Rosette ist acht, aber klein für ihr Alter, Pilou ist vermutlich jünger. Langsam wanderte ich hinunter zur Brücke. Ich hätte wirklich einen Sonnenhut mitnehmen sollen! Die Kinder bauten eine Art Staudamm in dem seichten Wasser. Rosette brabbelte in ihrer Privatsprache – »bambadda-bambaddabam!« –, während Pilou irgendwelche strategischen Anweisungen gab, da offenbar ein Piratenangriff bevorstand.
»Vorwärts! Achterdeck! An die Kanonen! Bam!«
»Bam!«, kam das Echo von Rosette.
Wie gut ich dieses Spiel kannte. Anouk hat es oft mit Jeannot Drou und ihren anderen Freunden unten bei Les Marauds gespielt, vor acht Jahren.
Der Junge blickte zu mir hoch und grinste. »Seid ihr Maghrebiner?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Aber sie redet eine Fremdsprache, oder?«, fragte er mit einem Blick auf Rosette.
Ich lächelte. »Es ist nicht direkt eine Fremdsprache. Sie redet nicht viel. Aber sie versteht alles, was du zu ihr sagst. In manchen Dingen ist sie sehr clever.«
»Wie heißt sie?«
»Rosette«, antwortete ich. »Und du heißt Pilou, stimmt’s? Ist das eine Abkürzung?«
»Ja, für Jean-Philippe.« Er grinste wieder. »Und das hier ist mein Hund Vladimir. Sag hallo zu der Dame, Vlad.«
Vlad bellte und schüttelte sich, so dass die Wasserdusche bis zur kleinen Brücke hinaufspritzte.
Rosette lachte und machte Zeichen: Gutes Spiel.
»Was hat sie gesagt?«
»Du gefällst ihr.«
»Cool.«
»Du bist also der Sohn von Joséphine«, begann ich. »Ich bin Vianne, eine alte Freundin von deiner Mutter. Wir wohnen zurzeit in Les Marauds, im alten Haus von Madame Voizin.« Ich überlegte kurz. »Ich würde euch beide gern einladen. Und deinen Vater natürlich auch, wenn er Lust hat.«
Pilou zuckte die Achseln. »Ich habe keinen Vater.« Er klang ein wenig trotzig. »Das heißt, ich habe natürlich einen, aber ich …«
»Du weißt nicht, wer dein Vater ist?«
Pilou grinste. »Ja, genau.«
»Meine kleine Tochter hat das auch immer gesagt – also meine andere Tochter, Anouk.«
Pilou schaute mich mit großen Augen an. »Ich weiß, wer Sie sind!«, sagte er dann. »Sie sind die Frau aus dem Laden, die immer Pralinen gemacht hat!« Sein Grinsen wurde noch breiter, und er machte einen übermütigen Hopser im Wasser. »Maman redet die ganze Zeit von Ihnen. Sie sind so was wie ein Promi hier.«
Ich musste lachen. »Das ist ein bisschen übertrieben.«
»Wir feiern immer noch das Fest, das Sie damals angefangen haben. An Ostern. Vor der Kirche. Da wird getanzt, wir suchen Ostereier, die Leute machen Skulpturen aus Schokolade und lauter solches Zeug.«
»Ehrlich?«
»Es ist super!«
Ich dachte an mein Schokoladenfest von damals, an die Deko im Schaufenster, die handgeschriebenen Zettel. Anouk war sechs, eine halbe Ewigkeit schien es her zu sein, wie sie in ihren gelben Gummistiefeln im flachen Wasser herumpatschte und in ihre Plastiktröte tutete, während Joséphine vor der Kirche tanzte, und Roux stand am Rand, mit seinem typischen Gesichtsausdruck, dieser Mischung aus mürrisch und schüchtern.
Plötzlich wurde mir ganz komisch ums Herz. »Deine Mutter redet nie über deinen Vater?«
Wieder dieses Grinsen,
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