Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
mit der ich das Wohlwollen meiner Herde zurückgewinnen kann – und auch das der Menschen aus Les Marauds. Meine Versuche, mit ihnen zu reden, haben nichts gebracht, aber vielleicht können Taten mein Anliegen unterstützen.
Deshalb habe ich heute Morgen beschlossen, mich zur Place Saint-Jérôme zu begeben und im Sinne der Wiedergutmachung aktiv zu werden. Das Haus ist in seiner Bausubstanz weitestgehend intakt geblieben, eigentlich muss man alles nur gründlich reinigen, ein paar Dachziegel und Balken ersetzen, Gips und ein paar Schichten Farbe auftragen, dann sieht alles aus wie neu. Jedenfalls dachte ich das. Ich ging auch davon aus, dass die Leute aus dem Ort, wenn sie mich arbeiten sähen, mit anpacken würden.
Vier Stunden später taten mir alle Knochen weh, und kein Mensch hatte auch nur ein Wort mit mir gewechselt. Poitous Bäckerei ist gleich gegenüber, das Café des Marauds ein Stückchen die Straße hinunter, aber niemand war auf die Idee gekommen, mir in dieser brütenden Hitze etwas zu trinken zu bringen. Ich begriff allmählich, père, dass dies meine Bußübung ist – nicht wegen des Brandes, sondern wegen meiner Arroganz. Meine Arroganz hat mich dazu gebracht zu glauben, dass ich durch demonstrative Demut meine Herde zurückgewinnen könnte.
Nach dem Mittagessen schloss die Bäckerei. Es wurde still auf dem sonnengebleichten Platz. Nur der Turm von Saint-Jérôme bot Schutz, und ich schleifte den verkohlten Schutt vom Haus auf den Bordstein und pausierte immer wieder mal in seinem Schatten und trank einen Schluck Wasser am Brunnen.
»Was machen Sie?«, fragte mich eine Stimme.
Ich blickte auf. Ach, du lieber Gott. Von allen Leuten, die ich nicht sehen wollte – ausgerechnet der kleine Clairmont. Er ist eigentlich harmlos, aber er erzählt alles seiner Mutter. Da wäre es mir natürlich lieber gewesen, wenn er mich hier angetroffen hätte, wie ich umgeben von lauter freundlichen Helfern das Bencharki-Haus renoviere. Stattdessen stand ich verdreckt und erschöpft vor ihm, umgeben von nichts als verkohltem Holz.
»Nichts Besonderes.« Ich lächelte ihn an. »Ich dachte, wir könnten ein bisschen Solidarität zeigen. Man will ja nicht, dass eine Mutter mit Kind in so ein unbewohnbares Haus zurückkommen muss.« Ich deutete auf die schwarze Tür und das Chaos dahinter.
Luc musterte mich misstrauisch. Vielleicht hätte ich lieber nicht lächeln sollen.
»Okay, es ist mir unangenehm«, gab ich zu und hörte auf zu lächeln. »Ich weiß ja, dass das halbe Dorf denkt, ich bin an allem schuld.«
Das halbe Dorf? Wenn es mal so wäre. Zurzeit könnte ich die Leute, die mir beistehen, an einer Hand abzählen.
»Ich helfe mit«, sagte Luc. »Ich hab gerade massig Zeit.«
Klar, sein Semester fängt erst Ende September an. Wenn ich mich richtig erinnere, studiert er französische Literatur, womit Caro gar nicht einverstanden ist. Aber warum will er mir plötzlich helfen? Er hat mich noch nie gemocht, nicht einmal, als seine Mutter noch zu meinen Anhängerinnen gehörte.
»Ich hole einen Lieferwagen vom Holzlager«, verkündete er mit einem Blick auf den Schutt. »Dann helfe ich Ihnen, das Zeug wegzubringen, und danach können wir überlegen, was für Materialien wir brauchen.«
Sein Angebot konnte ich natürlich nicht ablehnen. In meiner Situation. Schließlich ist mein Stolz der Grund, weshalb ich überhaupt in diese Lage gekommen bin. Ich bedankte mich also bei Luc und machte mich wieder an die Arbeit. So viel Schutt! Wesentlich mehr, als ich erwartet hatte, aber gemeinsam schafften wir es bis zum Abend, das Untergeschoss freizuräumen.
Die Glocken läuteten zur Messe, die Schatten auf dem Platz wurden länger. Père Henri Lemaître kam mit lässigen Schritten aus der Kirche geschlendert. Er sah aus, als wäre er gerade einer Frischhaltebox speziell für junge Priester entstiegen. Die Soutane frisch gebügelt, dazu eine modisch jungenhafte Frisur und ein tipptopp sauberer Kragen, nur eine Nuance weißer als seine Zähne.
»Francis!« Ich hasse es, wenn er mich so nennt.
Ich lächelte so diplomatisch, wie ich nur konnte.
»Schön, dass Sie das anpacken«, lobte er mich, als würde ich es für ihn tun. »Sie hätten mir heute Vormittag Bescheid geben sollen, dann hätte ich bei der Messe etwas gesagt.« Sein Tonfall deutete an, dass er selbst auch sehr gern geholfen hätte, wenn nicht die Bürde, für meine Gemeinde sorgen zu müssen, so schwer auf ihm lasten würde. »Und apropos Messe …« Er
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