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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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jedes Kilo Obst – ohne Blätter und Steine, versteht sich. Wir schneiden sie in den Kupfertopf. Kupfer ist besonders gut fürs Marmeladekochen, weil es schnell heiß wird. Den Zucker geben wir schon dazu und quetschen ihn mit einem Holzlöffel in die Frucht. Der Teil gefällt Rosette am besten« – ich grinste –, »weil alles so schön klebt. Und weil es so gut riecht.«
    Ich sah, wie Alyssas Nasenflügel zitterten.
    »Dann kommt der Zimt dazu«, fuhr ich fort. »Zimtstangen, kein Pulver, halbiert. Drei oder vier Stangen müssen reichen.« Der Sommerduft wurde herbstlich. Feuer im Freien, Halloween. Zimtpfannkuchen, draußen zubereitet. Glühwein und geschmolzener Zucker.
    »Wie findest du das?«
    »Schön«, antwortete sie. Der kleine Diamant in ihrem Nasenflügel vibrierte wieder und reflektierte das Licht. »Und dann?«
    »Dann warten wir«, sagte ich. »Wir decken den Topf mit einem Tuch zu und lassen alles über Nacht stehen. Am Morgen machen wir den Herd an und rühren die ganze Zeit, während wir die Marmelade aufkochen. Sie muss nur vier Minuten kochen, dann füllen wir alles in Gläser – und die Marmelade ist fertig für den Winter.«
    Sie warf mir einen kurzen Blick zu. »Für den Winter?«
    »Ich bin dann natürlich nicht mehr hier«, sagte ich. »Aber Marmelade schmeckt am besten im Winter, wenn die Abende länger werden und die Luft frostig ist. Dann macht man so ein Glas auf, und es ist wie ein bisschen Sonnenschein.«
    »Oh.« Sie klang tief enttäuscht. »Ich habe gedacht, Sie bleiben hier.«
    »Tut mir leid, Alyssa. Wir können nicht bleiben.«
    »Wann?« Es war nur ein Flüstern.
    »Bald. In ein paar Wochen spätestens. Aber mach dir keine Sorgen. Wir lassen dich nicht im Stich.«
    »Nehmen Sie mich mit nach Paris?« Plötzlich leuchteten ihre Augen.
    »Schauen wir mal. Ich hoffe, das wird nicht nötig sein.« Ich wandte mich von meinem Kessel ab, um ihr direkt in die Augen zu schauen. »Ich weiß ja nicht, wovor du wegläufst, aber ich hoffe, wir finden eine bessere Lösung. Gibt es denn in Les Marauds niemanden, dem du vertraust? Vielleicht ein Familienmitglied? Oder einen Lehrer?«
    Alyssa zuckte zurück. »Nein«, sagte sie nur.
    »Aber du gehst doch noch in die Schule, oder?«, fragte ich. »In die kleine Schule gegenüber von der Kirche?«
    Wieder zuckte Alyssa zusammen. »Da bin ich hingegangen, ja.«
    Und da ist sie wieder, dachte ich. Inès Bencharki, die Frau in Schwarz. Ich habe ihren Namen nicht einmal ausgesprochen, aber wieder einmal ist ihr Schatten düster genug, noch den kleinsten Lichtschimmer zu ersticken. Hat Alyssas Angst etwas mit ihr zu tun? Wovor flieht sie?
    »Würdest du deine Familie nicht vermissen, wenn du nach Paris gehst? Deine Eltern? Deine Schwester?«
    Stumm schüttelte sie den Kopf. Das hoffnungsvolle Leuchten in ihren Augen war längst nur noch ein müdes Flämmchen.
    »Und was ist mit deinem Großvater? Ich weiß, dass er dir fehlen würde.« Es war ein Versuchsballon, aber als Alyssa vorhin vom alten Mahjoubi und seinem Persimonenbaum erzählt hatte, klang ihre Stimme fast zärtlich.
    Sie drehte sich weg, doch ich konnte sehen, dass eine Träne über ihre Wange kullerte. In dem Moment wirkte Alyssa wieder sehr jung, und ohne lang zu überlegen, nahm ich sie in den Arm. Zuerst erstarrte sie, aber dann entspannte sie sich und begann an meine Schulter gelehnt zu schluchzen. Lautlos, die Hände um die Ellbogen geklammert.
    Ich ließ sie weinen. Manchmal hilft das ja. Der Duft der Pfirsiche hüllte uns ein, er war fast zu stark, um ihn zu ertragen. Draußen rüttelte der Wind an den Fensterläden. Wenn der Autan weht, entfernen die Bauern hier in der Gegend die Blätter von ihren Obstbäumen, um den Windböen, die an den Zweigen rütteln und das halbreife Obst herunterreißen, weniger Angriffsfläche zu bieten. Das mag einem Außenstehenden vielleicht radikal erscheinen, aber die Alternative heißt abgebrochene Äste und eine ruinierte Ernte. Es gibt eine Zeit, da muss man die Obstbäume hätscheln, wie meine Freundin Framboise immer gesagt hat, und es gibt eine Zeit, da muss man sie loslassen. Bei Kindern ist es nicht viel anders. Beide haben nichts von übertriebenem Feingefühl.
    Ich drückte Alyssa an mich, bis ich spürte, dass das Schluchzen nachließ. Dann fragte ich sie leise: »Was ist neulich nachts passiert?«
    Sie schaute mich an.
    »Ich möchte dir helfen. Aber dafür musst du mir sagen, was los ist. Warum kommt ein Mädchen wie du zu dem

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