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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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machte. Nur zwei Leute begegneten uns, und die grüßten uns nicht. Auf dem gesamten Boulevard des Marauds hatte ich das Gefühl, dass die Fenster mich beobachteten, und ich hörte ein Flüstern in den Mauern. Der Wind kann kein Geheimnis für sich behalten, wie meine Mutter immer sagte, und heute erzählte mir der Wind, dass Les Marauds in Schwierigkeiten steckt. Wegen Alyssa? Oder ist es eine tiefer gehende, düsterere Krankheit?
    Ich blickte zum Himmel hinauf, der eigentlich klar sein sollte, aber ich sah nur feinen hellen Staub. Rosette musste davon niesen, und jedes Mal wenn sie nieste, rollte sich Bam im Staub und lachte über sie.
    Sie schaute mich mit strahlenden Augen an. »Pilou«, sagte sie.
    »Heute nicht«, sagte ich. »Aber er und Joséphine kommen ja morgen zum Abendessen.«
    Traurig verzog sie das Gesicht. »Ruru.«
    Roux.
    Ich nahm sie in die Arme. Sie roch nach dem Fluss und nach etwas Süßem – Babyseife oder Schokolade. »Ich weiß, dass er dir fehlt, Rosette«, sagte ich. »Mir fehlt er auch. Wir vermissen ihn alle. Aber wir haben es doch schön hier, oder?«
    Sie krächzte begeistert und gab in ihrer Privatsprache eine endlose Kette von Wörtern von sich, aber ich verstand nur Pilou und Vlad und (erstaunlicherweise) supertoll. Das rote Gekrakel, das Bam ist, tanzte heute wie wild um ihre Füße herum und war vom Staub ganz vergoldet.
    Ich musste lachen. Meine kleine Rosette ist die geborene Komikerin. So seltsam sie auch sein mag – mein Winterkind bringt manchmal den Sonnenschein.
    »Komm«, sagte ich. »Komm, wir gehen nach Hause.«
    Mit der Hand schützten wir unsere Augen gegen den Staub und gingen langsam den steilen Hügel hinauf, weg vom Fluss, zu dem Haus, das ich gerade indirekt als Zuhause bezeichnet hatte und neben dem die ersten Pfirsiche nun schon von den Zweigen fielen.

7

    Samstag, 21. August
    Auf dem Heimweg hatten wir Rückenwind, und Rosette sang die ganze Zeit: »Bam, bam bam, bam badda- BAM …«
    Das ist das Lied meiner Mutter, natürlich. Rosette singt keine richtigen Wörter, aber sie hat das musikalische Gehör ihres Vaters. Sie stampft mit den Füßen und klatscht in die Hände.
    »Bam, bam BAM ! Bam, badda- BAM !«
    Und der Wind macht mit. Die Blätter tanzen, der Herbst kommt früh dieses Jahr, die Farben ändern sich bereits. Die Lindenbäume sind als Erste an der Reihe und schütteln Konfetti in den Himmel. Rosettes Haare haben fast das gleiche Rotgold wie diese Blätter, auf denen sie mit ihren kleinen nackten Füßen herumstampft, als wären es Flammen.
    Stampf, stampf, stampf. Bam-badda-bam!
    Ich spürte, dass Alyssa uns vom Haus aus durch die halbgeschlossenen Fensterläden beobachtete. Die ganze Zeit hat sie nicht mehr als ein paar Worte mit mir gesprochen. Anouk und Rosette gegenüber ist sie zutraulicher, aber selbst bei ihnen hält sie sich zurück. Ihren hijab hat sie abgenommen, sie hat die Haare jetzt zu zwei langen Zöpfen geflochten, die Anouk und Rosette faszinierend finden. Wir essen unsere Hauptmahlzeit erst nach Sonnenuntergang, damit sie den Ramadan einhalten kann, aber soviel ich weiß, betet sie nicht. Stattdessen sieht sie fern und liest.
    Heute nicht, beschloss ich.
    Ich ging um das Haus herum und begutachtete Armandes Pfirsichbaum. Guillaume habe ich schon ein paar Pfirsiche gegeben, außerdem Poitou und Yasmina Al-Djerba. Für Narcisse und seine Frau habe ich einen clafoutis gemacht, und Luc Clairmont, der die Chocolaterie renovieren will, habe ich eine tarte versprochen, ebenso Joséphine. Trotzdem sind noch viel zu viele Früchte am Baum, und wenn es jetzt so windet, werden sie alle herunterfallen.
    »Wir müssen heute die Pfirsiche ernten«, sagte ich, als ich in die Küche kam. »Armande würde es mir nie verzeihen, wenn ich sie den Wespen überlasse.«
    »Super! Pfirsichmarmelade!«, rief Anouk und sprang vom Sofa auf.
    Ich lächelte. Eine von Anouks vielen liebenswerten Eigenschaften ist, dass sie mühelos zwischen Kindsein und Erwachsensein hin und her wechselt. Vom Licht in den Schatten, wie ein Schmetterling, der von einer Blüte zur nächsten schwebt, ohne zu merken, wie sich die Welt verändert. Heute ist sie wieder fast in dem Alter von damals, als wir das erste Mal hierhergekommen sind.
    Alyssa wirkt viel erwachsener als sie, obwohl die beiden altersmäßig nah beieinander sind. Was denken ihre Eltern? Warum sucht niemand nach ihr? Und wie lange kann ich sie hierbehalten, bevor die Nachricht, dass sie bei uns Unterschlupf

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