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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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gefunden hat, nach außen dringt?
    »Hast du Armande gekannt?«, fragte ich sie. »Sie war Lucs Großmutter und eine gute Freundin von mir. Ich glaube, du hättest sie gerngehabt. Nicht alle Leute mochten sie, und den Priester hat sie oft in Rage gebracht. Aber sie hatte ein gutes Herz, und für Luc war sie extrem wichtig. Ihretwegen bin ich hier. Ich habe versprochen, dass ich ihre Pfirsiche ernte.«
    Endlich erschien ein winziges Lächeln auf ihrem schmalen Gesicht. »Klingt nach meinem Großvater«, sagte sie. »Er ist auch ein großer Gärtner. Neben seinem Haus steht ein Persimonenbaum, der bis jetzt erst einmal Früchte getragen hat, aber mein Großvater sorgt für den Baum, als wäre er sein einziger Sohn.«
    So lange habe ich Alyssa noch nie am Stück reden hören. Vielleicht tut ihr der Kontakt mit Anouk gut, und sie findet allmählich ihre Stimme wieder. Lächelnd fragte ich sie: »Hast du Lust, mir zu helfen? Wir wollen Pfirsichmarmelade kochen.«
    »Bam. Marma. Bam. Badda-bam!«, sang Rosette, nahm einen Holzlöffel und ließ ihn auf dem Tisch tanzen.
    Alyssa wirkte interessiert. »Pfirsichmarmelade?«
    »Das Rezept ist ganz einfach. Wir haben schon alles, was wir brauchen. Marmeladenzucker, das ist Zucker mit Pektin, damit die Marmelade richtig geliert, außerdem einen Kupfertopf, Gläser, Zimt – und natürlich Pfirsiche.« Ich lächelte. »Komm mit, du kannst uns beim Pflücken helfen.«
    Einen Moment zögerte sie. Aber dann ging sie mit mir nach draußen. Das war relativ ungefährlich, weil das Haus ja so abgeschieden liegt, und den Pfirsichbaum kann man von der Straße aus sowieso nicht sehen. Der Autan ist gnadenlos. Schon jetzt lag lauter Fallobst auf dem Boden. Und wenn man die Früchte auch nur eine Minute liegen lässt, werden sie von den Wespen attackiert. Gerade die heruntergefallenen Pfirsiche eignen sich aber ideal für Marmelade, und gemeinsam sammelten wir innerhalb von zehn Minuten mehr, als wir brauchten.
    Der Kupfertopf gehört Armande. Ich habe zu Hause einen ganz ähnlichen. Er ist riesengroß und sieht aus wie eine Kesselpauke, mit einer gehämmerten, unebenen Oberfläche. Wenn er da so auf Armandes Herd steht, erinnert er an einen Hexenkessel – was gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt liegt, nehme ich an, denn wenn wir rohe Zutaten in etwas umwandeln, bei dem uns das Wasser im Mund zusammenläuft, grenzt das doch an Alchemie.
    »Bam, bam«, rief Rosette und trommelte auf den Kupfertopf.
    »Jetzt müssen wir das Obst vorbereiten.«
    Ich ließ kaltes Wasser in die Spüle laufen. Wir wuschen die Pfirsiche und entfernten die Steine. Wenn die Früchte ein bisschen angeschlagen sind, macht das nichts, sie werden dadurch nur noch süßer. Und während wir arbeiteten, die Ärmel hochgekrempelt, lief uns der Saft die Arme hinunter, und die Küche war erfüllt von einem wunderbar sonnigen Duft: nach Pfirsichen und Zucker und Sommertagen.
    »Bam. Marma. Bam-badda-bam«, sang Rosette. In den Streifen aus Licht und Schatten sah sie fast aus wie eine kleine Hummel. Bam, der in ihrem Schatten kauerte, erinnerte an feine Staubpartikel, die durch die Luft schwebten.
    Ich sah, dass Alyssa alles aufmerksam verfolgte, eine Falte zwischen den haselnussbraunen Augen. Da war mir klar, dass sie Bam sehen konnte. Nach drei Tagen wundert mich das nicht weiter. Es dauert meistens nicht lang, bis die Leute Bam sehen. Bei Kindern geht es am schnellsten, aber auch Erwachsene können ihn wahrnehmen, wenn sie offen dafür sind. Es beginnt mit einer optischen Täuschung, wie Flaum auf goldenen Trauben, und dann, auf einmal –
    »Bam! Marma! Bam!«
    »Meinst du, du könntest mit Rosette ein bisschen nach draußen gehen?«
    Anouk warf mir einen komischen Blick zu. Rosette ist wie eine Plastiktröte, so laut, dass ich das Flüstern nicht hören kann. Und auf das Flüstern kommt es heute an, dieses Geflüster, das Omi als waswas bezeichnet, das Sorgenflüstern des Satans. Aber bisher ist Alyssas Flüstern zu dezent, ich höre es nicht. Vielleicht, wenn wir allein sind und der Alltagszauber des Marmeladekochens wirken kann …
    Zuerst versuchte ich gar nicht, sie zum Reden zu bringen. Stattdessen hielt ich einen Monolog, auf den sie nichts antworten musste. Ich erzählte von dem Rezept, von Armande und dem Pralinenladen. Von Roux in Paris und unserem Hausboot, von Anouk, Rosette und den Pfirsichen.
    »Wir kochen die Pfirsiche nicht gleich heute, sondern lassen alles über Nacht ziehen. Ein Kilo Zucker für

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