Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
Schuhe zuzubinden.
Ich machte mir einen Kaffee und fütterte den Hund. Es war nur wenig zu essen im Haus. Doch als ich mein demoliertes Gesicht im Badezimmerspiegel sah, beschloss ich, lieber nicht hinauszugehen – es sei denn, ich wollte Caro und ihrem Kaffeekränzchen das großartigste Klatschthema seit Jahren präsentieren.
Blieb allerdings das Problem mit dem Hund. Ich wollte ihn nicht einfach losschicken, also rief ich im Café an, in der Hoffnung, den Anrufbeantworter zu erwischen.
Aber nein – Joséphine meldete sich. Ich erklärte ihr, dass der Hund hier sei und ob sie nicht Pilou vorbeischicken könne, um ihn abzuholen.
»Hätten Sie nicht Lust, zum Frühstück zu kommen?«, fragte sie mich.
»Ich … nein, das geht leider nicht, ich habe heute Vormittag viel zu tun«, log ich. Ich bin allerdings kein besonders begabter Lügner.
Sie hörte anscheinend an meiner Stimme, dass etwas nicht stimmte, jedenfalls fragte sie: »Ist alles in Ordnung?«
»Natürlich.«
»Sie klingen aber nicht so.«
Ich fluchte innerlich. »Na ja, Sie haben recht. Es gab einen Zwischenfall. Gestern Abend, auf dem Heimweg.«
»Was für einen Zwischenfall?«
Genervt schüttelte ich den Kopf. »Nicht der Rede wert. Vergessen Sie’s, schicken Sie einfach Ihren Sohn vorbei wegen des Hundes. Ich habe leider keine Zeit, um ihn selbst zu bringen«, sagte ich und legte auf.
Irgendwie war ich total durcheinander – aber warum? Vielleicht, weil demnächst Vollmond ist, was bei Menschen, die dafür empfänglich sind, oft große Unruhe auslöst. Als Priester hört man das immer wieder, mon père. Vollmond bedeutet Probleme. Die Gereiztheit steigt, die Empfindlichkeiten nehmen zu. Liebespaare streiten, Nachbarn verkrachen sich, uralte Zwistigkeiten brechen wieder aus. Morgen wird Père Henris Beichtstuhl erfüllt sein von lauter kleinlichen Klagen. Verblüffenderweise erheitert mich dieser Gedanke. Diesmal geht mich das alles nichts an. Soll Père Lemaître sich damit herumschlagen. Vielleicht kapiert er dann, was ihn hier erwartet.
Ich hatte den Hund draußen an den Zaun gebunden, aber dann klopfte es an meiner Tür. Durch die halbgeschlossenen Fensterläden sah ich zu meinem Verdruss nicht nur Pilou, sondern auch seine Mutter auf den Stufen vor dem Haus stehen, die Kragen hochgeklappt, weil es immer noch regnete. Joséphine trug Gummistiefel und einen schwarzen Regenmantel, der früher bestimmt mal Paul gehört hatte. Pilou hatte einen Parka an, der ihm auch mehrere Nummern zu groß war.
Joséphine klopfte noch einmal.
Ich öffnete die Tür einen Spaltbreit.
»Der Hund ist draußen!«
»Kann ich hereinkommen?«
»Nein, lieber nicht.«
»Nur ganz kurz«, sagte sie und stand schon vor mir. »Mein Gott, Francis – was ist passiert?«
Ich stöhnte. »Habe ich nicht gesagt, Sie sollen nicht reinkommen?«
»Was ist passiert?«, fragte sie noch einmal. Ihr Gesicht war auf einmal ganz weiß. Der Junge, der hinter ihr auf der Schwelle stand, musterte mich mit unverhohlener Bewunderung.
»Wahnsinn! Haben Sie sich geprügelt?«
»Nein.«
Er schien enttäuscht zu sein. Joséphine drehte sich zu ihm um und sagte: »Pilou, ich möchte, dass du Vlad nach Hause bringst. Und sag Marie-Ange, sie soll sich für mich ums Café kümmern. Dann holst du den Erste-Hilfe-Kasten aus meinem Zimmer – die große Kiste mit dem roten Kreuz auf dem Deckel.«
»Ich brauche wirklich keine Hilfe«, protestierte ich.
Sie gab ein undeutliches Geräusch von sich und warf ihren Regenmantel auf einen Stuhl. Darunter trug sie einen taubenblauen Pullover und einen schwarzen Rock. Ihre kurzen blonden Haare waren vom Regen ganz stachelig. Sie wirkte besorgt und gleichzeitig wütend.
»Francis Reynaud, wenn Sie mir nicht sofort sagen, was passiert ist, dann erzähle ich all meinen Gästen, dass Sie in meinem Café in eine Schlägerei verwickelt waren und ich Sie zur Vernunft bringen musste.«
»Okay, okay.«
Ich berichtete. Sie hörte fassungslos zu.
»Sie meinen, das hat was mit dem Brand zu tun?«
Ich zuckte die Achsel. »Womit sonst?«
»Aber Sie haben die Mädchenschule doch gar nicht angezündet!«
»Ich glaube, das sehen die meisten Leute anders.«
»Dann sind sie Idioten, alle miteinander. So, und jetzt halten Sie mal schön still, damit ich mir die Sache genauer ansehen kann.«
Nachdem Pilou zurück war, verbrachte Joséphine eine halbe Stunde damit, mit dem Erste-Hilfe-Kasten meine verschiedenen Wunden zu verarzten, während ich vor
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