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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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weit weg zu sein, wurde immer stärker. Ich spürte zwar die Schmerzen, aber ein Teil von mir schien die ganze Szene aus der Ferne zu beobachten.
    »Du Schwein!«, sagte die Stimme noch einmal. »Das ist ein Krieg. Wir haben dich gewarnt. Halt dich da raus! Wenn du dich noch einmal einmischst, wirst du dir wünschen, du wärst nie geboren worden. Dafür sorgen wir.«
    Und dann, nach einem letzten, perfekt platzierten Tritt gegen den Oberschenkel, genau auf diesen langen Muskel, den rectus femoris, glaube ich, der sich extrem schmerzhaft zusammenkrampfte, flohen meine unbekannten Angreifer in die Nacht und ließen mich auf der Straße liegen, ächzend und stöhnend. In meinen Ohren rauschte das Blut lauter als der Wind.
    Ich blieb liegen, bis die Krämpfe etwas nachließen und ich die Beine wieder bewegen konnte. Meine Kleidung war total verdreckt, mein Hemd zerrissen. Mein Herz hämmerte wie verrückt. Ich war noch nie im Leben in eine Schlägerei verwickelt gewesen, nicht mal als Schuljunge. Noch nie hat mich jemand aus Wut attackiert. Ich bin auch noch nie schlimm gestürzt.
    Angeblich weiß man intuitiv, ob ein Knochen gebrochen ist. Wie sich herausstellte, hatte ich mehrere Knochenbrüche. Aber in der Nacht habe ich das nicht gemerkt, père, das Adrenalin schoss mir durch die Adern, und wenn meine Beine in Ordnung gewesen wären, hätte ich keinen Moment gezögert – ich wäre meinen Angreifern hinterhergerannt bis nach Les Marauds (wo sie mich wahrscheinlich noch viel schlimmer zusammengeschlagen hätten, wenn ich sie gefunden hätte). Aber meine Wut betäubte die Schmerzen immerhin so weit, dass ich die Verletzungen nicht spürte. Es waren zwei gebrochene Finger, eine angeknackste Rippe und natürlich die kaputte Nase, die jetzt bei Tageslicht noch viel schlimmer aussieht, weil meine Augen schwarz und grün umrandet sind.
    Wer waren meine Angreifer? Ich hatte keine Ahnung. Die Tücher, die sie trugen, könnten jedem Mann in Les Marauds gehören, und ihre Stimmen konnte ich unmöglich identifizieren. Warum hatten sie mich als Opfer ausgesucht? Jedenfalls nicht, um mich auszurauben. Wollten sie sich für die abgebrannte Schule rächen? Das leuchtete mir am ehesten ein. Aber wer hatte sie geschickt? Und was meinten sie mit dem Satz Das ist ein Krieg?
    Vorsichtig rappelte ich mich hoch. Das Adrenalin pumpte sinnlos durch meinen Körper. Es regnete unablässig, und langsam nahm ich die Schmerzen wahr. Mein Haus war nur ein Stück die Straße hinunter, aber die Strecke schien mir endlos lang zu sein.
    Ein zotteliger Hund lief mir über den Weg, blieb stehen, kam zu mir und schnupperte an meiner Hand. Es war Pilous Hund.
    »Geh nach Hause.«
    Er wedelte mit dem Schwanz und folgte mir.
    »Vlad, geh nach Hause.«
    Der Hund ignorierte stur meinen Befehl. Als ich endlich meine Haustür erreichte, blieb er neben mir stehen, wedelte wieder mit dem Schwanz und hechelte.
    »Geh nach Hause«, sagte ich zum dritten Mal, und jetzt ziemlich streng. »Du verwechselst mich mit dem anderen Francis, dem heiligen Franziskus, der die Tiere so mochte.«
    Der Hund schaute mich an und bellte.
    Ich fluchte leise. Eigentlich hätte ich ihn nach Hause bringen sollen. Aber es war spät, es regnete, und das Bellen würde die Nachbarn aufwecken. Und außerdem wollte ich nicht, dass Joséphine und ihr Sohn mich in diesem Zustand sahen.
    »Okay, dann komm eben mit rein«, sagte ich. »Aber du musst in der Küche schlafen. Und gebellt wird nicht!«
    Der Hund, der jedes Wort zu verstehen schien, folgte mir prompt nach oben in mein Schlafzimmer. Ich war zu kaputt, um mich mit ihm zu streiten, ließ meine Kleidung auf den Boden fallen und legte mich sofort ins Bett. Als ich aufwachte – viel zu früh, unter Schmerzen –, lag der Hund bei mir im Bett. Ich weiß, ich hätte protestieren müssen, mon père, aber insgeheim war ich in meinem geschwächten Zustand fast dankbar für die Nähe eines anderen Lebewesens. Ich tätschelte Vlads Kopf, bis ich wieder wegdöste, eingelullt vom Brausen des Windes.

2

    Montag, 23. August
    Beim Erwachen konnte ich mich kaum rühren. Meine Muskeln waren über Nacht steif geworden, und jeder Teil meines Körpers befand sich im Widerstreit mit dem ganzen Rest. Eine heiße Dusche half ein bisschen, aber ich war trotzdem noch so unbeweglich, dass ich eine Viertelstunde brauchte, um mich anzuziehen. Die Finger meiner rechten Hand waren dick geschwollen und schmerzten so stark, dass ich nicht einmal imstande war, mir die

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