Himmlische Versuchung - Engelsjägerin #1 (German Edition)
nur los mit mir? Ich sollte ihn jetzt töten, immerhin war das meine Arbeit. Fest entschlossen zog ich meine Waffe und zielte auf seinen Kopf. Warum fiel es mir so schwer, einfach abzudrücken? Damit hatte ich doch noch nie Probleme gehabt. Warum dachte ich überhaupt darüber nach?
Er riss mich aus meiner Lethargie, weil er hustete, und ein Schwall Blut über sein Kinn lief. Ich sah auf das rubinrote Rinnsal. Blut war gut, es machte satt und ich lebte zum größten Teil davon. Doch ich wollte ihn nicht anfallen und von ihm trinken, deshalb zeigte ich mit der Hand unwirsch auf sein Kinn. Er sollte es gefälligst wegwischen und mich nicht weiter in Versuchung führen.
Der Engel blickte stur zurück. »Du solltest deinen Helm abnehmen und mit mir sprechen, Dämon. Dann verstehe ich auch, was du von mir willst.«
Moment mal, hier lief gerade etwas grundlegend falsch. Ich gab die Befehle, insbesondere, da ich eine Waffe in der Hand hielt und mein Gegenüber aussah wie mehrmals überfahren.
»Wenn ich errate, was für eine Augenfarbe du hast, klappst du dann dein Visier mal kurz hoch?«, fragte er, während er sich mit einer zerkratzten Hand das Blut vom Kinn wischte.
Ich knurrte bedrohlich, um mir Zeit zu verschaffen. Warum dachte ich eigentlich so viel nach? Ich sollte ihn erschießen, dieses elende Federvieh. Erneut sah ich in seine unwirklich blauen Augen und nickte hilflos.
»Sie sind braun. Nicht dunkelbraun, nicht mittelbraun, sondern hellbraun. Es sind goldene Augen mit tiefgrünen Sprenkeln.« Seine Stimme klang warm, melodisch und in meinem Bauch begann etwas, zart zu flattern. So etwas Schönes hatte noch niemand zu mir gesagt. Ich rückte noch näher an die Wand, um Schutz vor dem Regen zu finden und klappte mein Visier hoch. Unsere Blicke trafen sich zum ersten Mal.
»Wusste ich es doch«, flüsterte er.
Fast hätte ich unbedacht zurückgelächelt, doch da krümmte er sich plötzlich und griff mit schmerzverzerrtem Gesicht an seine linke Seite. Sein T-Shirt war zerrissen und zwischen seinen Fingern quoll hellrotes Blut hervor. Schon wieder Blut. Mein Körper begann zu zittern. Gierig, hungrig und übermüdet. Es könnte so einfach sein, er lag nur einen halben Schritt entfernt.
Er ächzte und richtete sich auf wie mit letzter Kraft. »Nun mach schon!«
Ich hob meine Waffe erneut, wenn auch etwas unwillig.
»Nikka! Hast du den Kleinen erwischt oder brauchst du Verstärkung?«, bellte Cayo zeitgleich in sein Mikro.
Mein Zeigefinger drückte gegen den harten Stahl des Abzugs. Besäße ich nicht Nerven wie Drahtseile, hätte ich mich vor Cayos unerwarteter Ansage vermutlich so erschrocken, dass ich den Engel schon aus reinem Versehen erschossen hätte. Doch ich zuckte nicht einmal, geschweige denn mein Finger am Abzug.
Eine ewige Sekunde sahen der Engel und ich uns an. Sein Gesicht war so schön, dass es fast wehtat. Ich wusste, er hatte Schmerzen und ich roch seine Angst, doch da war noch etwas. Etwas Unbekanntes, etwas Verlockendes, etwas, das man nicht erschießen sollte. Der Engel rührte sich immer noch nicht.
»Nikka!« Schon wieder Cayos gereizte Stimme in meinem Ohr.
Ich ließ die Waffe sinken. »Alles roger, Cayo«, sagte ich.
»Na, das hat ja gedauert. Komm erst mal zurück in die Zentrale. Im Moment habe ich keinen neuen Auftrag für dich.«
»Ich sehe mich zur Sicherheit noch ein wenig um. Vielleicht gibt es hier noch mehr von ihnen.« Ich brauchte Zeit. Ich brauchte ganz dringend ein wenig Zeit zum Nachdenken.
»Verstanden. Sei vorsichtig, Nikka.«
»Bin ich doch immer.«
Der Engel blickte auf meine Waffe, als ich sie mit einer entschlossenen Geste zurück in das Halfter an meiner Hüfte schob.
»Muss ich das verstehen?«
Ich ignorierte seine Frage und nahm stattdessen meinen Helm ab. Es war der pure Leichtsinn und die rationale Hälfte meines Verstandes bäumte sich in stummem Protest auf, aber wenn ich mit ihm reden wollte, funktionierte das nur ohne Helm.
»Bewaffnet?«, schnauzte ich ihn an. Die Augen des Engels wanderten über mein Gesicht, das er nun zum ersten Mal vollständig sehen konnte. Ich hatte den Eindruck, er hatte mir gar nicht zugehört. »Bist du bewaffnet, Engel?«
»Nein, Dämon.«
»Hm …« Ich marschierte einmal um ihn herum, konnte aber, außer dreckiger Kleidung und ziemlich lädierten Flügeln, keine Auffälligkeiten ausmachen. »Aufstehen!«
Der Engel sah mich an, als versuchte er abzuschätzen, was ich mit ihm vorhatte. Er drückte sich mühsam
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