Himmlische Versuchung - Engelsjägerin #1 (German Edition)
den Blick wieder abwenden wollte, bewegte sich etwas. Eine der äußeren blauen Linien schob sich langsam nach vorn, nur ein winziges Stück, aber ich hatte es genau gesehen. »O nein …«, flüsterte ich und schüttelte den Arm, als ob ich dadurch etwas ändern könnte. Was passierte nur mit mir?
Eine gute Viertelstunde später drückte ich mich vor Raum 412 herum und konnte mich nicht entschließen, endlich einzutreten. Von drinnen hörte ich gedämpfte Stimmen. Unentschlossen zog ich das Bündchen meines Longshirts bis weit über mein linkes Handgelenk, damit auch ja nichts von dem beängstigenden blauen Geflecht zu sehen war. Ich wollte da nicht reingehen. Sie würden mich angaffen wie ein Monster und irgendwelche schlauen Sachen über mich sagen, so, als wäre ich nicht dabei. Wenn sie mich wieder behandelten, als wäre ich zu dumm, um geradeaus zu gucken, dann würde ich jedem von ihnen mindestens ein Auge aus ihren besserwisserischen Köpfen reißen. Ein dunkles Knurren stieg aus meinen Lungen hoch und ich zog absichtlich ein finsteres Gesicht, um mir Mut zu machen. Der linke Ärmel meines Shirts war mittlerweile so ausgeleiert, dass er grausam schief an mit hinunterhing. Wieder sah ich zur Tür. Ein helles Lachen drang durch das monotone Stimmengemurmel. Das war Yaris. Sie lachte. Wieso lachte sie? Fassungslos fixierte ich das graue Metall der Tür, als würde dort in Leuchtbuchstaben die Antwort erscheinen. Lachte sie über mich? Wütend wandte ich mich ab und stapfte ein paar Schritte den Gang hinunter, nur um direkt wieder umzukehren, und schließlich doch wieder am selben Platz zu stehen.
Ich hatte keine Zeit für diese sinnlose Besprechung. Ich brauchte Medikamente für den Engel, ich musste mein Auto holen, ich musste zurück nach Hause. Doch bevor ich dazu kam, mich endlich zu entscheiden, ertönte das schrille Klingeln eines Telefons aus meiner Hosentasche.
Schritte. O nein! Yaris riss die Tür auf und funkelte mich wütend an. In der Hand hielt sie ihr Handy, das sie nun anklagend wieder zuschnappen ließ. »Was tust du eigentlich?«
Unfähig so spontan etwas Intelligentes zu erwidern, sah ich sie nur hilflos an.
»Komm endlich rein«, zischte sie.
»Ich bin gerade erst angekommen«, stammelte ich halbherzig.
»Unsinn. Ich höre dich schon seit zehn Minuten atmen.«
Mist, das hatte ich in meiner Aufregung vergessen. Yaris hatte nicht nur gefährliche Stacheln, sie konnte auch verdammt gut hören. Mit hängendem Kopf schlich ich an ihr vorbei in den Konferenzraum, während ich mein Handy auf Vibrationsmodus umstellte.
»Wie siehst du eigentlich aus?«, flüsterte sie hinter mir, doch ich zuckte nur wortlos mit den Schultern.
»Hallo«, brummte ich in die Runde und vermied einen zu genauen Blick in all die Gesichter, die mich neugierig musterten. Man war so höflich und grüßte mich vielstimmig zurück. Ich blickte auf die abgestoßenen Spitzen meiner Lederstiefel. Hinter meinem Rücken hörte ich, wie Yaris die Tür schloss, und mein Hals schnürte sich zu. Ich wollte das nicht. Solange ich nicht wusste, was mit mir passierte, wollte ich auch nicht, dass andere sich darüber in sinnlosen Diskussionen das Hirn verdrehten.
»Sie sind Nikka?«, fragte einer der Experten schließlich.
Ich nickte, ohne ihn anzusehen.
»Wie geht es Ihnen, Nikka?« Ich hob den Kopf und sah in sein Echsengesicht. Statt eines satten Grüns hatte seine schuppige Haut die Farbe von kaltem Stahl. Er musste bereits sehr alt sein. Seine vielen Augen sahen mich an, doch sie musterten mich nicht und auch Neugier konnte ich in ihnen nicht wirklich erkennen. Er saß ein wenig abseits und doch umgab ihn die stumme Aura von Autorität und Respekt.
»Ich weiß es nicht …«, flüsterte ich. Yaris hatte irgendwo hinter mir Platz genommen und plötzlich fehlte mir ihr aufmunterndes Lächeln oder nur ein kurzer Blick. Im Moment lief wirklich alles schief. Ich schluckte hart, damit nicht noch Tränen in meine Augen stiegen.
»Sie machen uns Sorgen, Nikka«, sagte der grauhäutige Experte. »Bitte nehmen Sie doch Platz, wir sind hier schließlich nicht bei einem Verhör.«
»Danke.« Ungeschickt zog ich an einem Stuhl und setzte mich. Meinen linken Arm schob ich so weit wie möglich unter den angrenzenden Tisch und es war mir egal, dass ich deswegen ein bisschen schief zu sitzen schien.
»Ich möchte Ihnen mein Team vorstellen.« Der Grauhäutige deutete auf die Gruppe Echsengesichter, die in gebührendem Abstand ein wenig
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