Himmlische Wunder
sie rief, und ihr aus der Hand fraß und zweifellos das verspielteste und niedlichste Kätzchen war, das ein Kind sich nur wünschen konnte.
Aber obwohl die kleine Katze schnurrte und sich putzte, gelang es ihr nicht, das Herz des Mädchens zu stehlen, und als der Abend kam, ging das Kind in die Hütte, wo die Mutter den Tisch gedeckt hatte, und die Herzkönigin jaulte unzufrieden durch die Nacht und riss vielen kleinen Nachtkreaturen das Herz aus der Brust, doch auch das genügte ihr nicht, und ihre Gier nach dem Herz des Kindes wuchs.
Deshalb verwandelte sie sich am zweiten Tag in einen schönen jungen Mann und wartete auf die Tochter der Witwe, als diese durch den Wald streifte, um das Kätzchen zu suchen. Nun hatte die Tochter noch nie einen jungen Mann gesehen, höchstens an Markttagen und nur aus der Ferne. Und dieser Mann war in jederHinsicht bemerkenswert – schwarze Haare, blaue Augen, hübsch wie ein Mädchen und trotzdem männlich –, und sie vergaß das Kätzchen. Die Tochter und der junge Mann spazierten durch den Wald, redeten und lachten und hüpften herum wie junge Rehe.
Doch als es Abend wurde und er ihr einen Kuss stahl, gehörte das Herz der Tochter immer noch der Mutter. In dieser Nacht jagte die Königin viele Rehe, schnitt ihnen die Herzen aus der Brust und aß sie roh, doch auch das befriedigte sie nicht, und sie sehnte sich noch mehr nach dem Mädchen.
Am dritten Tag nun verwandelte sich die Hexe gar nicht, sondern hielt sich nur in der Nähe der Hütte auf, um alles zu beobachten. Und während die Tochter vergeblich nach ihrem Freund vom vergangenen Tag Ausschau hielt, nahm die Herzkönigin den Blick nicht von der Mutter des Mädchens. Sie sah, wie die Mutter die Wäsche im Fluss wusch, und wusste, dass sie selbst das viel besser konnte. Und sie sah, wie die Mutter das Haus putzte, und wusste, dass sie selbst es besser konnte. Als der Abend kam, verwandelte sie sich in die Mutter – das lächelnde Gesicht, die lieben Hände –, und als die Tochter nach Hause kam, waren da zwei Mütter, um sie zu begrüßen.
Was konnte die Mutter tun? Die Herzkönigin hatte sich alles an ihr genau eingeprägt, jede Geste, jede Angewohnheit. Man bemerkte keinen Unterschied. Was immer die Mutter tat, die Hexe konnte es besser, schneller, perfekter.
Die Mutter deckte also den Tisch auch für den Gast.
»Ich bereite das Abendessen zu«, sagte die Königin zu dem Mädchen. »Ich weiß, was du am liebsten magst.«
»Wir machen beide Abendessen«, entgegnete die Mutter. »Und dann wird meine Tochter entscheiden –«
»Meine Tochter«, fiel ihr die Hexe ins Wort. »Und ich glaube, ich kenne den Weg zu ihrem Herzen.«
Die Mutter war eine gute Köchin. Doch noch nie hatte sie sich bei einer Mahlzeit solche Mühe gegeben. Weder zu Ostern noch zum Julfest. Aber die Hexe hatte die Magie auf ihrer Seite, und ihr Zauber war wirkungsvoll. Die Mutter wusste, was die Tochter amliebsten aß, doch die Königin wusste, welche Gerichte das Mädchen erst noch entdecken würde, und diese Speisen brachte sie auf den Tisch, eine nach der anderen.
Sie begannen mit einer Wintersuppe. Die Mutter kochte sie liebevoll in einem Kupfertopf, mit einem Knochen, der noch vom Sonntag übrig war.
Doch die Hexe servierte eine leichte Bouillon, zubereitet mit feinsten Schalotten und gewürzt mit Ingwer und Zitronengras, dazu Croutons, die so klein und knusprig waren, dass sie im Mund zu schmelzen schienen.
Die Mutter brachte den zweiten Gang: Würstchen und Kartoffelbrei, ein tröstliches Gericht, welches das Kind sehr mochte, und dazu gab es klebriges Confit d’oignons .
Doch die Hexe brachte zwei Wachteln, die ihr Leben lang nur reife Feigen gepickt hatten und nun, mit Kastanien und Foie gras gefüllt, gebraten worden waren und an einem Coulis aus Granatapfel serviert wurden.
Die Mutter war der Verzweiflung nahe. Sie brachte den Nachtisch: einen üppigen Apfelkuchen nach einem Rezept ihrer Mutter.
Doch die Hexe hatte eine Pièce montée zubereitet: einen pastellfarbenen Zuckertraum aus Mandeln, Sommerfrüchten und luftigem Blätterteig, so leicht wie ein gehauchter Kuss, mit Rosenaroma verfeinert und mit Sahne verziert.
Und die Mutter sagte: »Einverstanden. Sie haben gewonnen.« Und ihr Herz zerbrach in zwei Stücke, mit einem lauten Pling , das klang wie Popcorn im Topf. Die Hexe lächelte und griff nach ihrer Beute.
Doch die Tochter erwiderte ihre Umarmung nicht, sondern fiel vor ihrer Mutter auf die
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