Himmlische Wunder
immer abkühlen lasse, ebenso die Zuckerthermometer, die Formen aus Plastik und Keramik, die Schöpflöffel, die Schaumlöffel und die Schaber. Alles ist da, gut gelagert und einsatzbereit. Die Mädchen hätten garantiert ihren Spaß.
»Super!«, freute sich Zozie. »Dann kannst du es mir ja auch beibringen.«
Warum nicht? Was kann es schon schaden?
»Einverstanden. Ich werd’s versuchen«, sagte ich.
Das war’s. Und jetzt bin ich endlich wieder im Geschäft. Einfach so. Und wenn ich noch irgendwelche Zweifel habe –
Eine Portion Trüffel kann nichts Schlimmes anrichten. Oder ein Tablett mit Mendiants . Oder ein, zwei Kuchen. Die Wohlwollenden geben sich nicht mit so banalen Dingen wie Pralinen ab.
Hoffe ich jedenfalls. Und jeden Tag treten Vianne Rocher, Sylvie Caillou und sogar Yanne Charbonneau immer weiter in den Hintergrund, werden ungefährlich, ein Teil der Vergangenheit, eine Fußnote der Geschichte, Namen auf einer verblassten Liste.
Der Ring an meiner rechten Hand fühlt sich komisch an, weil meine Finger es seit ewig gewohnt sind, nackt zu sein. Der Name – Le Tresset – kommt mir allerdings noch komischer vor. Ich probiere ihn aus, als wollte ich bei einem Kleid die Größe ausprobieren, und lande irgendwo auf halber Strecke zwischen Lächeln und Nicht-Lächeln.
Yanne Le Tresset.
Es ist nur ein Name.
Unsinn, sagt Roux, dieser erfahrene Namenveränderer und Formenverschieber, dieser Zigeuner und Vertreter elementarer Wahrheiten. Es ist nicht nur ein Name. Es ist ein Satz .
2
D ONNERSTAG , 15 . N OVEMBER
Jetzt ist es also so weit. Sie trägt seinen Ring. Thierry, ausgerechnet Thierry, der ihre Schokolade nicht mag, der überhaupt nichts an ihr mag, nicht einmal ihren richtigen Namen. Sie sagt, sie macht keine Pläne. Sie sagt, sie muss sich erst daran gewöhnen. Sie trägt den Ring wie ein Paar Schuhe, die man erst einlaufen muss, damit sie richtig passen.
Eine schlichte Hochzeit, sagt Maman. Nur auf dem Standesamt. Kein Pfarrer, keine Kirche. Aber wir wissen es besser. Er wird sich schon durchsetzen. Mit dem ganzen Trara. Rosette und ich in gleichen Kleidchen. Es wird grauenhaft.
Ich sagte das zu Zozie, und sie schnitt eine Grimasse und sagte Jeder nach seiner Fasson , was absolut lächerlich ist, wirklich. Niemand, der einigermaßen bei Verstand ist, kann sich vorstellen, dass diese beiden sich je richtig lieben werden.
Na ja, vielleicht liebt er sie. Aber was weiß er schon? Gestern Abend ist er vorbeigekommen und ist mit uns ausgegangen. Nicht ins Le P’tit Pinson diesmal, sondern in ein teures Restaurant am Fluss, wo wir die Boote vorbeifahren sehen konnten. Ich hatte ein Kleid an, und er sagte, ich würde sehr hübsch aussehen, aber ich hätte mir noch die Haare frisieren sollen. Zozie passte auf Rosette auf, zu Hause im Laden, weil Thierry fand, dass das Restaurant nichts für ein kleines Kind ist (aber wir kannten alle den eigentlichen Grund).
Maman trug den Ring, den er ihr gegeben hat. Ein riesiger, fetter, hasserfüllter Diamant, der wie ein dicker, blitzender Käfer auf ihrerHand sitzt. Im Laden trägt sie ihn nie (er stört sie nur), und gestern Abend hat sie dauernd daran herumgespielt und ihn hin und her gedreht, als wäre er ihr lästig.
Hast du dich schon dran gewöhnt ?, fragt Thierry. Als könnten wir uns je daran gewöhnen – an den Ring und an ihn und an seine Art, mit uns umzugehen. Er tut immer so, als wären wir verwöhnte Kinder, die man mit Geld und Geschenken bestechen kann. Und er hat Maman ein Handy gegeben, damit sie immer mit ihm in Kontakt sein kann, sagte er, ich kann’s nicht fassen, dass du noch nie eins hattest. Danach tranken wir Champagner (was ich nicht ausstehen kann) und aßen Austern (was ich ebenfalls nicht ausstehen kann) und ein Schokoladenmousse-Eis, das ziemlich gut schmeckte, aber längst nicht so gut wie das, das Maman immer gemacht hat, und außerdem war es auch noch eine ganz, ganz kleine Portion.
Und Thierry lachte dauernd (jedenfalls am Anfang), nannte mich jeune fille und redete über die Chocolaterie . Wie sich herausstellt, fährt er bald wieder nach London, und diesmal wollte er, dass Maman mitkommt, aber sie sagte, sie hat zu viel zu tun, vielleicht nach dem Weihnachtsgeschäft.
»Wirklich?«, fragte er. »Ich dachte, du hättest gesagt, der Laden läuft schlecht.«
»Ich probiere etwas anderes aus«, sagte Maman und erzählte ihm von den neuen Trüffelsorten, die sie plant, und dass Zozie ihr eine Weile hilft und
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