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Himmlische Wunder

Himmlische Wunder

Titel: Himmlische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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dass sie ihre alten Sachen aus dem Keller holt. Darüber redete sie ganz lange, ihr Gesicht lief rosarot an, und je mehr sie redete, desto stiller wurde Thierry, und desto weniger lachte er, so dass sie schließlich aufhörte und ein bisschen verlegen dreinschaute.
    »Entschuldige«, sagte sie. »Du willst das gar nicht so ausführlich hören.«
    »Doch, doch, schon gut«, sagte Thierry. »Und das war Zozies Idee, oder?« Er klang nicht besonders erfreut.
    Maman lächelte. »Wir haben sie sehr gern. Stimmt’s, Annie?«
    Ich sagte, ja, das stimmt.
    »Aber glaubst du denn, sie hat das Zeug zum Unternehmer? Ichmeine, sie ist ja vielleicht ganz nett, aber auf lange Sicht brauchst du, ehrlich gesagt, ein bisschen was Besseres als eine Kellnerin, die du bei Laurent Pinson abgestaubt hast.«
    »Das Zeug zum Unternehmer?«, wiederholte Maman.
    »Also, ich dachte, wenn wir verheiratet sind, dann willst du vielleicht, dass jemand anderes den Laden führt.«
    Wenn wir verheiratet sind . Oh, Mann.
    Maman schaute ihn an, mit gerunzelter Stirn.
    »Also, ich weiß ja, dass du den Laden selbst führen willst, aber du musst doch nicht die ganze Zeit da sein«, fuhr er fort. »Es gibt noch genug anderes zu tun. Wir können reisen, die Welt sehen.«
    »Ich habe die Welt schon gesehen«, sagte sie – ein bisschen zu schnell, und Thierry schaute sie verdutzt an.
    »Also, ich hoffe, du erwartest nicht von mir, dass ich in die Wohnung über der Chocolaterie ziehe«, sagte er grinsend, als würde er einen Witz machen. Aber es war kein Witz, das hörte ich an seiner Stimme.
    Maman sagte nichts und schaute weg.
    »Tja, und was ist mit dir, Annie?«, sagte er. »Ich wette, du würdest gern die Welt sehen. Wie wär’s zum Beispiel mit Amerika? Fändest du das nicht cool?«
    Ich hasse es, wenn er »cool« sagt. Ich meine – Thierry ist alt , mindestens fünfzig, und ich weiß, er gibt sich Mühe, aber so was ist doch einfach nur peinlich, oder?
    Wenn Zozie »cool« sagt, hat man das Gefühl, sie meint es auch. Es ist, als hätte sie das Wort erfunden. Amerika wäre cool, aber nur mit Zozie. Sogar die Chocolaterie ist jetzt viel cooler als vorher, mit dem goldgerahmten Spiegel vor dem alten Glasschrank und mit ihren Bonbonschuhen im Schaufenster, die aussehen wie mit Schätzen gefüllte Zauberschuhe.
    Wenn Zozie hier wäre, würde sie ihm sagen, was Sache ist , dachte ich, so wie sie es bei der Jeanne-Moreau-Bedienung im Tea-Shop gemacht hatte. Aber gleich bekam ich ein schlechtes Gewissen – fast so, als hätte ich etwas Schlechtes getan. Als könnte man einen Unfall auslösen, wenn man nur daran denkt.
    Zozie wäre das egal , sagte die Schattenstimme in meinem Kopf. Zozie würde machen, was ihr passt. Und wäre das so schlimm? dachte ich. Na ja. Schon irgendwie. Aber trotzdem –
    Als ich heute Morgen in die Schule gehen wollte, sah ich zufällig, wie Suze in unser neues Schaufenster glotzte, die Nase an die Scheibe gedrückt. Sie rannte sofort weg, als sie mich sah – wir reden immer noch nicht miteinander –, aber eine Weile fühlte ich mich so hundeelend, dass ich mich in einen der alten Sessel setzen musste, die Zozie von irgendwoher angeschleppt hat. Ich stellte mir Pantoufle vor, wie er dasitzt und zuhört und wie in seinem Gesicht mit den Schnurrbarthaaren die schwarzen Augen blitzen.
    Es ist ja nicht einmal so, dass ich Suze besonders mag. Aber sie war sehr nett zu mir, als ich neu war; sie kam in die Chocolaterie , und wir haben uns unterhalten oder ferngesehen, oder wir sind zur Place du Tertre gelaufen und haben den Malern zugeschaut, und einmal hat sie mir an einem der Stände dort einen rosaroten Emailleanhänger gekauft, einen kleinen Hund, auf dem Meine b este Freundin stand.
    Es war nur ein billiger kleiner Anhänger, und die Farbe Pink konnte ich noch nie leiden, aber ich hatte auch noch nie eine beste Freundin gehabt – jedenfalls nicht so richtig. Es war toll, und ich freute mich sehr, aber ich habe den Anhänger seit einer Ewigkeit nicht mehr getragen.
    Denn dann kam Chantal daher.
    Die perfekte, bei allen beliebte Chantal mit den perfekt frisierten blonden Haaren und den perfekten Klamotten und ihrer gehässigen Art, über alles herzuziehen. Jetzt will Suze genauso sein wie sie, und ich bin nur noch die Lückenbüßerin, wenn Chantal etwas Besseres vorhat. Das heißt, meistens bin ich der nützliche Trottel.
    Es ist nicht fair. Wer entscheidet eigentlich solche Sachen? Wer hat beschlossen, dass Chantal es

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