Himmlische Wunder
Endlich hatte er es gemerkt! Sein molliges Gesicht drehte sich zur Duftquelle. In der Küche hinter mir hörte man Yanne singen. Ein rhythmisches Klopfen – jemand schlug mit einem Holzlöffel auf einen Topf – ließ vermuten, dass Rosette sich musikalisch beteiligte. »Riecht, als würde jemand kochen. Geben Sie mir einen Tipp, Schuh-Königin! Was gibt’s zum Mittagessen?«
»Kokostrüffel«, antwortete ich mit einem Lächeln.
Es dauerte keine Minute, und er hatte sie alle gekauft.
Ach, nein, in diesem Fall bilde ich mir nicht ein, dass es irgendetwas mit mir zu tun hatte. Leute wie Nico sind leicht zu verführen. Jedes Kind hätte das geschafft. Er bezahlte mit Kreditkarte, was mir ermöglichte, sofort seine Nummer zu kopieren (schließlich muss ich in Übung bleiben), auch wenn ich noch nicht vorhabe, sie zu verwenden. Man könnte den Vorgang schnell zur Chocolaterie zurückverfolgen, und mir gefällt es hier viel zu gut, um in dieser Phase meinen Job aufs Spiel zu setzen. Später vielleicht. Wenn ich weiß, wieso ich hier bin.
Nico ist nicht der Einzige, der einen Unterschied in der Luft bemerkt. Allein heute Vormittag habe ich acht Schachteln mit Yannes Spezialtrüffeln verkauft – manche an Stammkunden, andere an Fremde, die der elementar verführerische Duft angelockt hat.
Am Nachmittag war es Thierry Le Tresset. Kaschmirmantel, dunkler Anzug, pinkfarbene Seidenkrawatte und maßgefertigte Schuhe. Mmmm. Ich liebe maßgefertigte Schuhe: Sie schimmern wie die Flanke eines gut gestriegelten Pferdes, und aus jedem der perfekten Stiche wispert einem das Wörtchen Geld entgegen. Vielleicht war es ein Fehler, Thierry zu übersehen. Er mag in intellektueller Hinsicht nicht viel zu bieten haben, aber ein Mann mit Geld hat es immer verdient, dass man ihn sich genauer anschaut.
Er ging zu Yanne in die Küche. Rosette und ihre Mutter lachten sich gerade wegen irgendetwas kringelig. Thierry schien leichtverstimmt, dass Yanne arbeiten musste – immerhin war er extra aus London gekommen, um sie zu sehen. Aber er erklärte sich bereit, nach fünf wieder vorbeizukommen.
»Warum gehst du nie ans Telefon?«, hörte ich ihn in der Küchentür sagen.
»Entschuldige«, erwiderte Yanne (halb lachend, glaube ich). »Ich kapiere nicht so ganz, wie das Ding funktioniert. Wahrscheinlich habe ich vergessen, es anzustellen. Außerdem, Thierry –«
»Du lieber Gott«, sagte er. »Ich heirate eine Steinzeitfrau.«
Sie lachte wieder. »Du könntest auch zu mir sagen, ich bin technophob.«
»Wie soll ich irgendetwas zu dir sagen, wenn du nie ans Telefon gehst?«
Er verabschiedete sich von Yanne und Rosette und kam nach vorn in den Laden, um mit mir zu reden. Er traut mir nicht, das spüre ich. Ich bin nicht sein Typ. Er denkt vielleicht sogar, dass ich einen schlechten Einfluss auf Yanne ausübe, und wie die meisten Männer registriert auch er nur die Äußerlichkeiten: die rosaroten Haare, die exzentrischen Schuhe, den Kleidungsstil einer Bohemienne, den ich mit viel Mühe kultiviere –
»Sie helfen Yanne – das ist sehr nett von Ihnen«, sagte er. Er grinste – im Grunde ist er nämlich einigermaßen charmant, muss man wissen –, aber ich sah das Misstrauen in seinen Farben. »Was ist mit dem P’tit Pinso n?«
»Ach, abends arbeite ich immer noch dort«, antwortete ich. »Aber Laurent braucht mich nicht den ganzen Tag – und außerdem ist er nicht gerade einfach als Chef.«
»Aber Yanne ist einfach?«
Ich lächelte ihn an. »Sagen wir mal, Yanne hat nicht so unbeherrschte Hände.«
Er schien etwas konsterniert. Darauf hatte ich es angelegt. »Oh, pardon. Ich dachte –«
»Ich weiß, was Sie dachten. Und ich weiß auch, dass ich nicht so aussehe – aber ich versuche wirklich nur, Yanne zu helfen. Sie hat ein bisschen Ruhe verdient – finden Sie nicht auch?«
Er nickte.
»Hören Sie, Thierry – ich weiß, was Sie jetzt brauchen. Einen Café crème und Milchschokolade.«
Er grinste. »Sie wissen tatsächlich, was mir am besten schmeckt.«
»Ja, klar«, sagte ich. »So was weiß ich.«
Später kam Laurent Pinson – zum ersten Mal seit drei Jahren, sagte Yanne. Steif, verkrampft und feierlich, in billig glänzenden braunen Schuhen. Er machte viel zu lange Ooh und Aah und warf mir zwischendurch immer wieder über die Glastheke hinweg eifersüchtige Blicke zu, bis er sich dann für die billigsten Pralinen, die er finden konnte, entschied und mich auch noch bat, sie als Geschenk zu
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