Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben
der du bist, das schließt auch deine dunklen Seiten ein, deine Schatten, die dein Ich sich tunlichst verbittet. Das ist Leben in Fülle; ein Leben, der Bejahung deiner selbst; ein glückliches Leben; ein Leben, in dem du weißt, dass du dazugehörst, aufgehoben in der dieser Welt – durch unendlich viele glühende Drähte verbunden mit dem Kosmos. Es ist das Leben, zu dem ich dich ermutigen will, wenn ich sage: Verliebe dich ins Leben!
Da war aber noch die vierte Dimension – die mystische Dimension des Göttlich-Unendlichen, jenseits des Würfels, jenseits unserer Individualität: Tiefe, Räumlichkeit ohne Grenzen, Erfahrung der unterschiedslosen Ewigkeit, mystisches Bewusstsein. Auch dorthin zieht uns die Vereinigungssehnsucht des Eros. Denn dort erst findet sie ihre Vollendung. Dort erst kommt sie an ihr Ende. – Warum? – Weil es dort keinen Sehnenden und kein Ersehntes mehr gibt. Weil es dort keinen Liebenden und kein Geliebtes mehr gibt. Weil dort alles Hier und Dort, Ich und Du ein Ende hat. „Unruhig ist mein Herz, bis dass es ruht in dir, Gott“, sagte Augustinus. Schon in unserer ersten Liebe strahlte diese Erfahrung mit auf in der Ahnung der Ewigkeit und Unendlichkeit, die das glühende Herz damals erschütterte und erregte.
Eros in der vierten Dimension ist die Sehnsucht nach Non-Dualität; nach „eins sein, mit allem was ist“. Diese Dimension übersteigt unsere Identität. Sie ist die Erfahrung, von der alle mystischen Traditionen reden:die Erfahrung des umfassenden Eins-Seins mit Gott und der Welt, die Erfahrung der Unio mystica. Denn in der All-Einheit sind wir Gott geworden, sind mit Gott vereinigt. Die Mystiker sagen: Hier gibt es keine Trennung und keinen Trennungsschmerz, denn alles ist eins. Nichtmals mehr ein Gegenüber, das wir lieben könnten, gibt es.
Viele spirituelle Praktiken legen es auf diese Erfahrung des Eins-Seins an. Du weißt, dass ich manches davon erprobt habe: Zen, andere Meditationsformen, ein bisschen Sufi-Spiritualität. Das war alles wichtig und gut. Diese Praktiken können uns wirklich die vierte Dimension unseres Seins erschließen. Und nur wenn wir auch diese Dimension erschließen, kann das vierdimensionale Leben, das wir sind, ganz zu sich selbst kommen – können wir ganz die sein, die wir als diese individuelle Manifestation des endlosen Lebens sind.
Deshalb möchte ich dir – entschuldige das Pathos – zurufen: Ja, lassen wir uns vom Eros forttragen. Vertrauen wir uns diesem Mittler zwischen Mensch und Gott an, um auf seinen Schwingen noch über die Grenzen unserer Individualität hinaus in mystischer Liebesleidenschaft zu erglühen. Suchen wir den ekstatischen Taumel der Verschmelzung und Vereinigung mit dem Göttlichen. Der Eros in uns will dahin, weil er das Spektrum des Lebens voll auskosten möchte: von wildem Sex bis zu ekstatischer Spiritualität; weil er noch die äußersten Pole in uns verbinden und harmonisch vereinen will. Aber dann lasst uns zurückkehren! Dann lasst uns auch diese Erfahrung an unser Herz nehmen, ihr den richtigen Ort in unserem Seelenraum geben, sie einfügen in die große Harmonie unseres Daseins. So wird unser Leben rund und satt – unser individuelles persönliches Leben voller Sex und Körper, Habe und Ich, Liebe und Seele, Mystik und Agape. Denn nur so kommt das grenzenlose Leben in der begrenzten Gestalt, die wir je sind, zu sich selbst.
So wichtig und aufregend also mystische Erfahrungen als Gotteserfahrungen sind: Wenn wir mit offenem Herzen in der Liebe sind – offen für die Welt, für uns, für alles, was uns umgibt –, dann sind wir am intensivsten und im umfassendsten Sinne Mensch. Ich glaube wirklich: Das istdas Maximum dessen, was uns Menschen über die Spanne eines Lebens möglich ist. Und das Glück, das uns dabei geschenkt wird, ist ein menschliches Glück. Es ist ganz normal und ganz alltäglich: Es schleicht sich in dein Herz, wenn du in der Küche stehst und das Essen zubereitest, wenn du im Auto sitzt und zur Arbeit fährst, wenn du deine Blumen gießt oder Fußball spielst. Denn in der Liebe – in der Seele und im Herzen – tust du das im Bewusstsein der innigen Verbundenheit mit allem; verliebt ins Leben.
Von der Begierde
zur Berührung
Ich hoffe, dass wir gemeinsam unser
wahres Herz aus den Käfigen der
Angst befreien können. Dann können
unsere Körper in sexuellem Entzücken
verschmelzen, und unsere Stunden
können jeden Tag als Liebe kommen
und gehen
.
David Deida
Ah, ich wusste,
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