Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben
schlechte Nachricht ist: Das passiert oft. Und was dabei herauskommt, sind Eifersuchtsdramen, Versteckspiele, Prostitution, Fremdgehen, Gewalt, Vergewaltigungen … – immer Symptome eines Bewusstseins, das Sexualität zum Gegenstand verkürzt; zu etwas, das ich haben kann; zu etwas, das mich nicht etwa hinreißt, sondern das ich machen, besitzen und kaufen kann; zu etwas, das ich in meine Macht bringen kann – oder worin ich meine Ohnmacht erfahre; zu etwas, für das ich andere als Mittel missbrauchen kann – oder zu dem ich missbraucht werde; zu einem Gegenstand meines Willens, einer Funktion des ängstlichen, nach Macht und Habe gierenden, unerlösten Ego. Wie viel Missbrauch, Gewalt, Verletzung resultiert aus diesem lieb- und seelenlosen „Ego-Sex“-Komplex!
Die Ursache für diese Entkoppelung von Sex und Liebe liegt darin, dass viele Menschen in ihren Ich-Strukturen verhaftet sind, aus denen nicht nur die starren Bilder, wie man selbst oder der/die andere zu sein hat, entstehen. Aus ihnen entstehen auch Verlustängste und Identitätskrisen. All das gründet fast immer in alten psychischen Verwundungenoder Abhängigkeiten. Oft dienen die Ich-Strukturen vor allem dazu, diese Wunden und Verstrickungen ausblenden zu können. Deshalb fürchten viele Menschen nichts so sehr wie deren Aufweichung oder Erschütterung. Und weil nichts Ich-Strukturen so sehr erschüttert wie Eros, haben die Menschen vor diesem kleinen Knirps eine nachgerade panische Angst. Sie haben Angst vor der Liebe, da die Liebe die Ich-Strukturen unweigerlich transzendiert. Diese Angst treibt sie in einen Teufelskreis: Weil sie ihre Sehnsucht nach Schönheit, Unsterblichkeit und Einheit nicht anders als sexuell meinen befriedigen zu können (die Seele ist durch ihre Angst vor der Liebe verschlossen), gieren sie nach immer mehr Sex ohne Liebe. Die Sehnsucht aber wird so nie befriedigt, die Spirale wird nur immer enger – und der Schrei der Seele nach Liebe immer lauter.
Doch er findet kein Gehör, weil das Ich wieder einen neuen Körper suchen muss, an dem es meint, seine Sehnsüchte stillen zu müssen. Das Ich will einen Partner oder eine Partnerin haben, aber weil es aus eigener Kraft Verbundenheit herstellen und machen will, kann es keine echte Verbundenheit erfahren. Die Folge: Die Partnerin oder der Partner fühlen sich nicht gemeint; sie fühlen sich benutzt und missbraucht. Zu Recht, denn dem Ich ging es nicht um sie, sondern nur um sich selbst. Es kommt zu Trennungen, Verletzungen, Schuldzuweisungen. Irgendwann wird so die Seele krank – und der Körper folgt früher oder später.
Eines ist mir wichtig: Sex ohne Liebe ist nicht verwerflich. Es geht mir nicht um Moral. Sex ohne Liebe ist traurig, tragisch. Es tut mir in der Seele weh, das mitansehen zu müssen. Denn wer in dieser Falle sitzt, beraubt sich so sehr der Fülle und Schönheit, die das Leben für ihn bereithält. Es tut mir weh, mit ansehen zu müssen, dass sich Menschen zeit ihres Lebens an der Oberfläche ihrer Seele abstrampeln und nichts ahnen von der unendlichen Schönheit und Fülle, die darunter warten. Mich erinnern solche Menschen an Schwimmer in einem südlichen Meer, die nicht wissen, dass sie nur einmal den Kopf senken müssten, um in eine Zauberwelt bunter Fische und reichen Lebens einzutauchen, durch die sie sich nichts ahnend immer schon bewegten …
Es geht hier um Gelingen oder Misslingen – und darum, dem Leben, das wir sind, gerecht zu werden, oder eben nicht. Denn wer sein vier-dimensionales Leben auf nur zwei Dimensionen beschränkt, unterbietet sich selbst, missachtet die eigene Fülle und verletzt sich. Er beraubt sich seiner Energie und Schönheit, er verbaut sich den Zugang zu seiner Seele. Das wiederum führt zu Selbstverachtung und mangelnder Selbstliebe. Es führt zur Unfähigkeit, Ja zu sagen und das Leben als sinnvoll zu erleben. Denn um Ja zu sagen und den Sinn des Lebens zu erfahren, muss man in der Liebe sein.
Neuerdings gibt es freilich Menschen, die behaupten, Sex ohne Liebe sei mitnichten ein Problem. Im Gegenteil: Es sei eine spirituelle Übung. Sex müsse rein sein, klar, bewusst – Sex nicht nur ohne Begehren, sondern auch ohne Gefühle – nur Körper und Geist sein. Sexualität als Weg, das Ich abzustreifen, die Ego-Dominanz zur brechen. Sex als eine asketische Übung, die sowohl vom Wollen des Ego als auch von den Gefühlen der Seele reinigt, um so das authentische, wahre Leben zu erschließen.
Ich sag’s ehrlich, ich
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