Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben
anderen ganz intensiv. Bei denjenigen, denen wir uns in der Tiefe unserer Seele innigst verbunden wissen – weil wir mit ihnen in der Liebe sind (
in love with each other
) –, ahnen wir, dass diese Verbundenheit dem Tod standhält. Das genau ist meine Erfahrung: Wenn ich einen Menschen liebe, dann liebe ich ihn auch noch, wenn er tot ist. Der Tod stellt keine Barriere für diese Liebe dar. Deswegen war auch angesichts des Todes meiner Geliebten und der Trennung von ihr meine innige Liebe das Einzige, was mir half, den Schmerz wirklich auszuhalten und die seelische Verbundenheit unerschütterlich im Bewusstsein zu halten. Liebe sticht Tod. Das ist nicht nur Gerede, es ist eine tausendfach bestätigte Erfahrung, nicht nur meine eigene.
Und in der vierten Dimension? Wie wird im mystischen Geistbewusstsein des Eros Sehnsucht nach Unsterblichkeit befriedigt? Keine Ahnung. In diesem Bereich bin ich nicht so zuhause. Da muss ich die Mystiker fragen. Die wissen Bescheid. Sie sagen: Im Geistbewusstsein stellt sich die Frage nach der Unsterblichkeit nicht. Denn da ist niemand, der diese Frage stellen könnte. Da ist nur: ES IST oder ICH BIN. Und dieses ES IST oder ICH BIN ist grenzenlose Einheit, unendliches Sein. Das ist Unsterblichkeit. Wenn wir den Mystikern Glauben schenken – und es gibt keinen Grund, das nicht zu tun –, dann stellt sich im mystischen Geistbewusstsein die Frage nach der Unsterblichkeit nicht, weil du darin Unsterblichkeit bist. Womit dann auch der Eros an sein Ende gekommen sein dürfte. Denn wenn du Unsterblichkeit bist, erlischt deine Sehnsucht nach Unsterblichkeit.Einfach, weil es dann kein Bewusstsein deiner selbst mehr gibt – keinen Körper, kein Ich, keine Seele, keine Individualität. Dieser Zustand ist das Ziel der mystischen Wege. Und ich glaube gerne, dass das ein lohnendes Ziel ist. Denn es öffnet unser Bewusstsein für die verborgene vierte Dimension unseres Daseins. Nur meine ich, dass es im Leben nicht allein darum gehen kann, immerzu und dauernd in dieser Dimension zu verweilen und unseres Körpers, unseres Ich und unserer Seele verlustig zu gehen. Wir sind ja nicht da, um Gott zu sein, sondern um Mensch zu sein. Oder um es mit Willigis Jäger zu sagen: Wir sind da, damit Gott in uns Mensch sein kann – und nicht, damit Gott in uns Gott sein kann.
Man könnte das auch so formulieren: Wenn du Unsterblichkeit bist, dann bist du Gott. Dann brauchst du keinen Eros mehr. Denn Eros ist für die Menschen da. Er ist ein „Mittler zwischen Mensch und Gott“, sagt Diotima. Das heißt, er selbst ist kein Gott, sondern er bringt den Menschen ihre Herkunft aus dem Göttlichen zu Bewusstsein. Er trägt sie bis dahin, wo in einer mystischen Geisterfahrung ihr Bewusstsein dafür schwindet, individuelle Menschen zu sein, weil sie sich nun eins mit Gott, dem Göttlichen, dem Universum oder wem auch immer wissen. Und wenn Eros sie dort abgeliefert hat, zieht er sich zurück. Aber nicht für lange. Denn Menschen aus Fleisch und Blut sind eben immer auch individuelle Wesen, weshalb die mystische Erfahrung des Göttlich- oder Unsterblich-Seins immer nur von beschränkter Dauer ist. Aus dem Geistbewusstsein kehren wir zurück in unser Körper-, Ich- und Seelenbewusstsein.
Und dann kommt es darauf an, dort gut beheimatet zu sein, damit wir die aufblitzende mystische Erfahrung der Unsterblichkeit in unser Leben integrieren können. Was erfahrungsgemäß nur gelingt, wenn wir im Seelenbewusstsein und in der Liebe sind. Dort liegt für mich unsere menschliche Heimat: in der eigenen Seele. Ganz Mensch sein heißt, ganz der individuelle Mensch sein, der du bist – aber eben ganz, mit allen Schattenseiten, Verbindungen, Gefühlen etc., die wir aus unseren Ich-Selbstbildern so gerne ausblenden. Sei ganz du selbst!, sagt die erotische Lebenskunst und meint damit nicht: Folge deinem Ich!, sondern: Lass dichin die Liebe fallen und finde in ihr den Mut, ganz du zu sein – ganz Seele zu sein. Denn mit der liebenden, integrierenden Kraft der Seele gelingt dir das, was unser menschliches Leben zu einem ganzen, vollkommenen, reifen, blühenden Leben werden lässt: das harmonische Miteinander und Ineinander aller vier Dimensionen – Körper, Ich, Seele, Geist.
Vom Sex zur
Unio mystica
Eines zu sein mit Allem, das ist Leben
der Gottheit, das ist der Himmel des
Menschen
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Friedrich Hölderlin
Gut, dass du noch mal nachhakst, mein Lieber. Du findest, ich sei etwas zu schnell über das Thema Sex
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