Hingabe
abzudrehen, dann eile ich durch das riesige Schlafzimmer und nehme dabei aus dem Augenwinkel braunes Leder und einen Balkon wahr. Ich trete in einen langen Flur mit einem glänzenden schwarzen Holzboden, der in mehrere Richtungen abzweigt, aber da ist keine Spur von Chris.
Mein Blick fällt auf die beiden modernen Treppen aus Stahl und Holz; eine führt nach oben und eine nach unten. Unten scheint mir der richtige Ort für eine Küche und einen Wohnbereich zu sein, und ich gehe in diese Richtung.
Die Wendeltreppe öffnet sich zu einer weiteren Treppe, die wiederum nach oben führt. Ich gehe weiter hinab. Als ich fast unten angekommen bin, höre ich Chris’ Stimme, leise, rau und missvergnügt, während er mit jemandem redet. Ängstlich gehe ich der Stimme nach. Ich springe beinahe den Rest der Treppe nach unten und in einen atemberaubenden Wohnraum, der kreisrund ist, mit modernen ledernen Möbeln und eleganten Tischen, die zu den Treppen und Böden passen.
Jetzt sehe oder höre ich Chris nicht mehr, und mein Blick wandert zu der Treppe, die nach oben führt, in etwas, das eine Küche zu sein scheint. Als ich weitergehe, spüre ich einen kühlen Luftzug, folge ihm und entdecke eine Tür, die einen Spalt offen steht. Chris muss nach draußen getreten sein, während ich die Treppe hinuntergegangen bin.
In Sekunden bin ich an der Tür und spähe hinaus. Chris steht mit dem Rücken zu mir. »Ich kann nur sagen, halten Sie diesen Ärger von Sara fern. Sie verdient diesen Scheiß nicht. Und wenn die Leute mehr Geld und Ressourcen brauchen, um Rebecca zu finden und ihr eine geziemende Beerdigung zu verschaffen, sorgen Sie dafür, dass sie es bekommen.«
Mir bleibt der Atem weg, und ich weiß, dass wir bereits voll dabei sind, uns seinen Dämonen zu stellen. Ich habe nicht die Absicht, sie die Oberhand gewinnen zu lassen. Die Schwäche und die Furcht, von denen ich mich in den vergangenen paar Stunden habe bestimmen lassen, lösen sich in Luft auf.
Chris bläst sich auf und tut so, als gehe es ihm gut, obwohl das nicht der Fall ist. Er braucht mich. Er brauchte mich, als Dylan starb, und er wird mich nicht wieder ausschließen.
Ich öffne die Tür und denke nicht groß darüber nach, dass ich ihn beim Telefonieren störe. Der neue Tag ist kühl, aber in meiner Brust brennt es. Chris dreht sich beim Geräusch meiner Schritte um. Fahles Außenlicht beleuchtet die Überraschung auf seinem Gesicht, der Eiffelturm bildet den Hintergrund. Nein, das ist falsch. Sein Schmerz bildet seinen Hintergrund, immer.
»Ich muss Schluss machen, Stephen«, sagt Chris. »Rufen Sie mich an, wenn Sie Neuigkeiten haben.« Er beendet das Gespräch und lässt das Telefon in seine Jeanstasche gleiten. »Ich dachte, du würdest ein Bad nehmen?«
Ich überwinde die Entfernung zwischen uns, lege die Arme um ihn und halte ihn fest. Seine Arme schließen sich um mich, und seine Hand gleitet über mein Haar. »Was ist los, Sara? Was ist, Baby? Der Anwalt hat gesagt …«
»Das kümmert mich im Moment nicht«, unterbreche ich ihn und lege den Kopf in den Nacken, um ihn anzusehen. »Mich kümmern auch der Detective oder Ava nicht oder irgendetwas anderes als du. Bitte, sag mir, dass du dir nicht die Schuld an Rebeccas Tod gibst. Ava hat das getan. Nicht du. Nicht Mark.«
Überraschung flackert in seinen Zügen auf, bevor er sie verbergen und ich seine Reaktion nicht länger deuten kann, aber die Art, wie sich seine Muskeln unter meinen Händen verkrampfen, verrät mir, dass ich einen Nerv getroffen habe. »Ich weiß, dass Ava es getan hat.«
Ich schüttele den Kopf, spüre das Schuldgefühl in ihm, das er nicht zugeben wird. »Das mag sein – aber du denkst, du hättest mehr tun sollen, um Rebecca aus dem Club herauszuholen. Aber du hast getan, was du konntest, Chris. Du hast mehr getan, als die meisten getan hätten.«
Er schaut auf mich herab, sein Blick ist verhangen. Wir treiben in einem Meer des Schweigens, und seine Reaktion ist unmöglich zu interpretieren. Ich bin mir nicht sicher, was ich als Nächstes tun soll. Chris ist auf der Kippe zwischen Dunkel und Licht, Schmerz und Wonne, und ich weiß nicht, wie ich ihn auf die helle Seite ziehen kann.
Aber ich will es schaffen. Ich will sein, was er braucht, nicht irgendeine verdammte Peitsche, die ihn zerfetzt. Doch noch bin ich es nicht. Sollte ich ihn dazu zwingen, sich mit seinen Gefühlen zu beschäftigen, oder soll ich ihn sie in sich vergraben lassen, damit sie später explodieren
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