Hingabe
Lippenstiftflecken habe? Schnell inspiziere ich Chris’ Gesicht und stelle fest, dass sich keine Spuren von meinem hellrosa Lippenstift darauf befinden. Dann hebe ich die Hand, um mir den Mund abzuwischen.
Chris kommt wieder näher, sein Körper verströmt Hitze, die in mich eindringt, als er mit dem Daumen über meine Oberlippe streicht. Die Reibung beschert mir Gänsehaut, und ich lehne mich fester gegen die Theke.
»Sie hat recht«, sagt er. »Es ist ein guter Morgen.« Aber wie er es sagt, ist alles andere als unschuldig, wie auch die verruchte, besitzergreifende Art, mit der er mich ansieht. Doch da ist noch mehr in seinen Augen; ein Glitzern von etwas, das ich nicht identifizieren kann. Und dann dreht er sich mit einem Zucken seiner sexy Lippen, die ich in diesem Moment unbedingt irgendwo auf meinem Körper haben will, um und begrüßt Chantal und Rey. Plötzlich fühle ich mich zurückgeworfen auf das, was mich vorher beschäftigt hat. Was gerade zwischen uns geschehen ist, war keine simple Verführung; es war Ursache und Wirkung. Meine Reaktion auf Ambers Besuch hat sein Verlangen nach Kontrolle ausgelöst. Mich binnen einer Minute in den Wahnsinn zu treiben, sodass ich nach Befriedigung lechze, war seine Art, Anspruch auf seine Kontrolle und auf mich zu erheben.
Als Chris uns zu der schwarzen Limousine führt, die Rey fährt, habe ich beschlossen, meine Unsicherheit beiseitezuschieben und ihm Zeit zu lassen. Ungeachtet dessen, was er mit dem »richtigen Zeitpunkt« meint, wird es vielleicht für ihn niemals einen richtigen Zeitpunkt geben – oder für uns.
Chantal lässt sich in den Wagen gleiten, und Chris nimmt mich in die Arme. »Ich sehe dich heute Abend.« Seine Stimme ist weich wie Samt, und ich spüre sie wie eine Liebkosung auf der Haut. »Alles von dir.«
Ich zeichne mit den Fingern seine Lippen nach. »Solange ich alles von dir sehe.« Er mag meine Worte doppeldeutig verstehen, daher korrigiere ich mich schnell. »Ich mag dich lieber ohne Kleider.« Ich entschlüpfe seinen Armen und steige in den Wagen, und sein heiseres, zufriedenes Lachen begleitet mich.
14
Flankiert von Rey und Chantal betrete ich die Botschaft und bin verdammt froh, nach dem irrsinnigen Verkehr in der Pariser Rushhour noch am Leben zu sein. Ich bin vielleicht nicht glücklich darüber, dass ich einen Bodyguard habe, aber Rey hat sich durch geschickte Vermeidung von Autounfällen meinen Respekt verdient. Wäre ich nicht so verliebt in Chris, könnte ich mich glatt wahnsinnig in Rey verlieben, wenn auch nur, bis der Adrenalinschub im Angesicht des Todes halbwegs verebbt wäre.
In der Botschaft schlüpfen Chantal und ich aus unseren Kapuzenjacken, und wir alle wischen uns kalte Regentropfen von den Kleidern. Rey als Machotyp trägt natürlich keine Jacke.
Die Stelle für Passangelegenheiten entpuppt sich als ein übergroßes Wartezimmer mit unzähligen Reihen stählerner Stühle und Fensternischen. Man führt uns zu einer Schlange. Einer sehr langen Schlange.
Ich seufze. »Warum geht ihr zwei nicht einen Kaffee trinken oder so? Ich will nicht, dass ihr Schlange stehen müsst.«
Rey tut die Idee sofort ab. »Ich muss in Ihrer Nähe bleiben, für den Fall, dass Sie irgendetwas brauchen.«
Ich presse die Lippen zusammen, um mir eine sofortige Erwiderung zu verkneifen. Er hat unbeabsichtigt einen Nerv getroffen, einen namens Alles-was-mit-meinem-Vater-zu-tun-hat. Während meiner ganzen Kindheit hat mich und meine Mutter bei Ausflügen stets ein Mann vom Sicherheitsdienst begleitet. Als Kind dachte ich, es gehöre dazu, wenn man einen mächtigen Vater hat, der einen liebt. Als Erwachsene wurde mir klar, dass er einfach seinen Besitz bewacht hat.
Rey greift nach meiner Jacke und zieht mich in die Gegenwart und den überfüllten, stickigen Raum zurück. »Wie wäre es, wenn ich Ihnen das abnehme?«
Ich blinzle ihn an und lasse meine Jacke los. »Danke.« Rey ist nicht mein Problem; mein Vater ist es. Und auch Chris ist nicht das Problem. Im Gegensatz zu meinem Vater hat sein Verlangen, mich zu beschützen, nichts mit einem Machttrip oder persönlichem Gewinn zu tun. Es liegt an Avas Angriff und daran, wie er von der Hand des Todes berührt wurde.
»Ich könnte dir unterdessen eine Französischstunde geben«, erbietet sich Chantal.
»Ich bin im Moment zu abgelenkt, um Französisch zu lernen«, antworte ich und schotte mich mental ab.
Sie lässt meine Ausrede nicht gelten. »Unsinn. Jetzt haben wir Zeit, die wir gut
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