Hingabe
immer er einen Raum betritt, spüre ich Chris mit jeder Faser meines Körpers und allen Sinnen.
Rey, der ungefähr in Chris’ Alter ist, aus etwa hundert Kilo Muskeln und Sehnen besteht und auf eine raue Art gut aussieht, neigt den Kopf und begrüßt mich mit: »Ravi de vous rencontrer, Mademoiselle Sara.«
Der Sog von Chris’ Blick, der mich zwingt, ihn anzusehen, ist magnetisch. Doch irgendwie schaffe ich es, Rey in den Fokus zu nehmen, und wiederhole im Kopf seine Worte. Ich freue mich darüber, dass ich eine einfache Begrüßung verstehe. »Es freut mich auch, Sie kennenzulernen, Monsieur Rey, und danke, dass Sie mich heute begleiten.«
Rey lächelt anerkennend und wirft Chris einen amüsierten Blick zu. »Ich dachte, sie spricht kein Französisch.«
Voller Angst, dass ich ihn dazu ermutigt habe, mein Französisch zu testen, statt sich an sein gutes Englisch zu halten, sage ich: »Das ist etwas anderes, als einige kleine Wendungen zu verstehen und aussprechen zu können. Ich spreche die französische Sprache ungefähr so gut, wie ich Englisch spreche, nachdem ich drei Gläser Tequila getrunken habe.«
Beide Männer lachen, und beim Klang von Chris’ sexy Kichern sehe ich ihn endlich an. Sein Blick begegnet meinem, und die zärtliche Sorge in seinen Augen wickelt sich wie ein Verband um mein Herz und beginnt die Wunde zu heilen, die Amber geöffnet hat.
Chris streicht sich nachdenklich übers Kinn. »Ich meine mich daran zu erinnern, dass es bei mir klang, als hätte ich eine Flasche Tequila getrunken, als ich es gelernt habe.«
»Es fällt mir schwer, das zu glauben.«
»Was meinst du, warum ich in der Schule in so viele Rangeleien verstrickt war?«
Rey schüttelt den Kopf. »Ich wünschte, ich hätte eine Entschuldigung für die Raufereien, in die ich verwickelt war. Zumindest habe ich einen Job gewählt, der mir die Möglichkeit gibt, meine Aggressionen auf positive Weise auszuleben.« Sein Blick fällt auf mich, und der Schalk weicht aus seinen Zügen. »Chris hat mir von Ella erzählt.«
Ich werfe Chris einen fragenden Blick zu, und er erklärt: »Rey hat einige Beziehungen, die er nutzen wird. Vielleicht kann er uns helfen, sie zu finden.«
Neugierig trete ich näher. »Wie? Was heißt das?«
»Mein Bruder ist bei der Gendarmerie nationale«, erklärt Rey. »Das ist die französische Polizei in ländlicheren Regionen und Grenzgebieten.«
»Die Randgebiete von Paris sind beliebt, um unterzutauchen, weshalb sie überwacht werden«, fügt Chris hinzu. »Abgesehen von seinem Bruder wird Rey einen Ermittler engagieren, der hier in der Stadt jeden Stein umdreht.«
»Es wäre hilfreich, ein Foto von Ella und alles über sie zu bekommen, was Sie haben«, sagt Rey. »Und es wäre eine gute Idee, das Foto mit in die Botschaft zu nehmen, für den Fall, dass sie noch keins haben.«
Die Bitte bringt mich durcheinander, und ich verpasse mir innerlich einen Tritt, weil ich nicht vorbereitet bin. »Ich habe kein Foto bei mir.«
»Wir können durch meinen Bruder arrangieren, dass wir ihren amerikanischen Führerschein bekommen«, erbietet sich Rey. »Aber ein besseres Foto wäre nicht schlecht.«
Chris wirft schnell eine Idee ein. »Könnte die Schule ein Foto von ihr haben?«
»Ja.« Man hört mir die Erleichterung an. »Das ist eine großartige Idee. Wenn ich kein Personalfoto bekommen kann, wird mir bestimmt irgendjemand eine Jahrbuchaufnahme zukommen lassen können.«
Es klingelt an der Tür. »Das muss Chantal sein. Ich werde sie hereinlassen und dann die Schule anrufen. Vielleicht ist noch jemand dort.«
Ich spurte los, aber Chris hält mich am Handgelenk fest. »Lass Rey die Tür öffnen«, sagt er leise.
Rey spricht auf Französisch mit Chris, dann ist er auch schon an der Treppe.
Endlich sind wir allein.
Das Brennen des jüngsten Kummers, den er mir zugefügt hat, sprudelt aus mir heraus. »Ich bin hilflos gegenüber Amber, weil du mir nichts erzählt hast – was auch immer es ist, das du mir erzählen musst.«
Er wirft mir einen Blick unter halb gesenkten Lidern zu. »Was hat sie gesagt?«
»Nichts, was ich nicht schon wusste. Und was sie gesagt hat, ist nicht der Punkt, Chris. Oder vielleicht
ist
es der Punkt. Sie redet, und du tust es nicht.«
»Was hat Amber gesagt, Sara?« Diesmal ist seine Stimme kalt wie Stahl.
Ich verziehe das Gesicht. Er ist im halsstarrigen Alphamännchenmodus, in dem ein Nein keine Option ist. »Sie hat gesagt, du seist gut darin, Menschen auszuschließen,
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