Hingabe
festlicher Speiseraum kommt in Sicht. Ein weiteres Gemälde von einem berühmten Künstler hängt an der Wand, und der Walnusstisch in der Mitte des Raums ist groß genug für ein Dutzend Menschen. Es sind nur zwei da. Eine Frau in den Zwanzigern mit aschblondem Haar, die ziemlich schön aussehen würde, säße sie nicht neben dem vernichtend gut aussehenden Garner Neuville.
Er wirft mir einen Blick zu und schaut dann zu Chris hinüber. Der sagt: »Ich bin mir sicher, Sie kennen Sara, da Sie veranlasst haben, dass sie verfolgt wurde.«
Neuville hält Chris’ Blick stand und reagiert nicht. Er sitzt einfach da in seinem gut gebügelten hellblauen Anzughemd, und keine Strähne seines dicken, zurückgegelten rabenschwarzen Haares ist deplatziert. »Lass uns allein, Stephanie«, sagt er schließlich, ohne seine Gefährtin anzuschauen.
Sie steht sofort auf und kommt auf mich zu, und ich kann nicht umhin, mich zu fragen, ob Neuville ihr Meister ist. Sind das die Kreise, in denen er und Chris einander begegnet sind? Sie haben schließlich beide eine Verbindung zu Isabel.
»Würden wir uns gern setzen?«, fragt Chris, als hätte Neuville es angeboten. »Auf jeden Fall.«
Ich kämpfe gegen ein Grinsen an, als Chris mir die Hand auf den Rücken legt und mich zu dem Tisch schiebt, wo er sich ans Ende setzt, Neuville gegenüber. Ich setze mich links neben Chris.
Chris und Neuville sehen einander in die Augen, und Anspannung liegt in der Luft, als sie sich anschicken, die Schwerter zu kreuzen.
19
»Wo ist Ella?«
Als ich feststelle, dass Neuville den durchdringenden Blick, den er zuvor auf Chris gerichtet hat, plötzlich mir zuwirft, erbleiche ich.
»Warum suchen Sie nach ihr?«, fragt Chris, bevor ich antworten kann.
»Ella und ich waren« – er legt eine dramatische Pause ein – »Partner. Ich bin zu schnell vorangeschritten, und sie hat Angst bekommen. Sie ist verschwunden, und ich habe sie seither nicht mehr gesehen.«
Die vielen Arten, wie ich »Partner« interpretieren kann, erhöhen meine Anspannung. Die Vorstellung, dass sich dieser Mann Ella gegenüber dominant verhalten hat, ist keine gute. »Was bedeutet es, dass Sie ›zu schnell vorangeschritten‹ sind?«
Er zieht eine Augenbraue hoch und sieht mich selbstgefällig an. »Wollen Sie wirklich die schmutzigen Details wissen?«
Ja!, schreie ich im Stillen und räume dann ein, dass meine Antwort eher ein Nein wäre. Ich würde vielleicht die Fassung verlieren, wenn ich Details hörte. »Ich will nur wissen, wo Ella ist.« Ich versuche nicht, die Schärfe aus meiner Stimme fernzuhalten.
»Dann haben wir etwas gemeinsam, Ms McMillan«, erwidert er gedehnt.
»Sie waren schnell bei der Hand mit Ihren Antworten«, bemerkt Chris. »Manch einer könnte denken, Sie hätten sie im Voraus geplant.«
»Andere könnten einfach meinen, dass ich die Wahrheit spreche«, antwortet Neuville.
Chris zögert nicht einen Herzschlag lang. »Ich schätze, das kommt darauf an, wie viel eine Person über Sie weiß.«
Neuville zieht abermals die Brauen hoch, und diesmal sieht er dabei Chris an. »Was genau glauben Sie, über mich zu wissen?«
»Mehr als die Antwort auf die Frage, mit wem Sie es gern treiben«, entgegnet Chris, und ich kann kaum ein Aufkeuchen unterdrücken. »Wann haben Sie Ella zuletzt gesehen?«
»Vor einer Woche«, sagt Neuville, als hätte Chris überhaupt nichts Ungewöhnliches geäußert. »Ich habe seither nach ihr gesucht, und natürlich habe ich, als ich erfuhr, dass ihre beste Freundin nach Paris kommt, angenommen, dass sie bei ihr sein würde. Ich muss noch herausfinden, ob das der Fall ist.«
»Warum fragen Sie Sara nicht durch mich, statt sie verfolgen zu lassen?«, gibt Chris zurück.
»Ich wusste nicht, dass Sie involviert waren, bis ich jemanden auf sie angesetzt habe, der ihr gefolgt ist«, antwortet er.
Chris wirkt nicht beeindruckt. »Und doch haben Sie mich nicht angerufen, als Sie es herausfanden.«
Ich will nach meiner gestohlenen Brieftasche und dem Pass fragen, halte mich aber zurück. Der Inhalt ist jetzt nicht mehr wichtig, und Neuville trommelt ärgerlich mit den Fingern auf den Tisch. »Aus demselben Grund, warum Sie mich heute Abend nicht einfach angerufen haben. Sie wollten nicht, dass ich entwische, bevor ich Sie angehört hatte. Das Gleiche gilt für mich in Bezug auf Ella.«
Diese Antwort erregt meine Aufmerksamkeit. Es gefällt mir nicht, wie er das Wort »entwischen« benutzt, ebenso wenig, wie es mir gefällt, mich
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