Hingabe
wir haben uns getroffen.“
Marie blickte sie verständnislos aber mehr als interessiert an.
„Wir waren in einer Tiefgarage, aber ich durfte IHN nicht angucken und…“
In dem Moment kam Dr. von Hagen um die Ecke.
„Lena, können Sie in fünf Minuten bei mir im Büro sein?“
Lena lächelte ihn an.
„Ja natürlich, ich komme gleich zu Ihnen.“
Sie zwinkerte Marie zu und folgte Dr. von Hagen kurze Zeit später in sein Büro. Dieser schaute sie ernst an, beinahe feierlich.
„Lena, wir hatten vor ein paar Tagen über die neue Stelle in Berlin gesprochen. Es wird jetzt konkret. Zum 1.10. ist es dann soweit.“
„Aber ich muss die Wohnung noch kündigen und alles.“
Selten verlor Lena die Fassung, doch nun war es fast so weit.
„Die Firma übernimmt natürlich alle Kosten, die entstehen, wir zahlen auch das Hotel oder die Wohnung et cetera, aber wir brauchen Sie dort.“
Dr. von Hagen schaute sie eindringlich an.
„Es ist Ihre Chance und unsere mit. Es ist der Wunsch der Geschäftsführung und Sie sind unsere Idealbesetzung – so ungern ich Sie auch hier abgebe.“
Lena lächelte ihren Chef an.
„Sie machen mich ganz schön verlegen, Herr Dr. von Hagen.“
„Und Sie machen mich ganz schön stolz, Lena.“
Als Lena aus dem Büro kam, konnte sie ihr Strahlen kaumverbergen. Normalerweise hätte sie zu sich selber gesagt: Verhalte dich professionell. Behalte deine neutrale Mimik. Aber darauf hatte sie jahrelang hingearbeitet. Es war wie kurz vor dem Ziel. Endlich. Sie ging zu ihrem Schreibtisch, schaltete ihren Rechner an und strahlte still vor sich hin. Es war endlich geschafft. Sie begann, zu arbeiten. Zum ersten Mal seit Tagen war sie wieder fokussiert auf ihre Arbeit, sie wirkte entschlossen. Konzentriert erledigte sie das, was zuletzt etwas ins Hintertreffen geraten war. Stück für Stück wurde der Stapel auf ihrem Schreibtisch kleiner.
Nach einem kleinen Imbiss schaute sie in ihren E-Mail-Account. Da war eine Nachricht. Von IHM.
„Ich hoffe, du hast gut geschlafen. Ich habe kaum ein Auge zugetan. Du hast mich beeindruckt. Schöner als im Märchen, als in meiner Vorstellung. Ich habe dich genossen – denn du hast mir gegeben, was nur du mir geben kannst. Danke.“
Wie gebannt starte Lena auf die Mail.
‚ER bedankte sich bei ihr? ER hatte nicht schlafen können? ER hatte sie beherrscht, und doch hatte ER nicht schlafen können.‘
Sie hätte ihm so eine Mail schreiben müssen, ihr Traum war doch in Erfüllung gegangen, sie hatte sich ihm hingegeben, sie hatte getan, was ER wollte.
Es kribbelte an ihrem ganzen Körper, sie schrieb ihm genau diese Gedanken, sie musste es wissen. Vielleicht war ER doch nicht so stark, wie sie gedacht hatte? Sie brauchte diese Erklärung.
Sie hielt es vor Aufregung kaum aus. Und sie konnte nicht vor dem Rechner auf die Antwort warten. Sie musste kurz an die Luft.
Lena hatte schreckliche Angst, dass es vorbei wäre. Dass das, was sie gestern gespürt hatte, eine Lüge war. Dass ERnicht stark war, sondern schwach. Dass ER sich ein Opfer ausgesucht und dann weggeworfen hatte. Vielleicht hatte ER diese Szene auswendig gelernt und Glück gehabt, weil sie so reagiert hatte, wie ER gehofft hatte. Das durfte doch nicht sein.
Sie erhob sich und verließ das Büro. Die acht Stockwerke ging sie diesmal zu Fuß. Sie musste sich bewegen, irgendetwas tun. Unten angekommen ging es ihr etwas besser. In der Bäckerei um die Ecke holte sie sich ein Franzbrötchen und einen Café Latte. Normalerweise mochte sie die süßen Franzbrötchen, die legendäre Hamburger Spezialität, vor dem Mittagessen nicht. Aber jetzt brauchte sie Zucker. Etwas Süßes. Und ihren geliebten Kaffee.
Der Zucker tat ihr gut. Sie beruhigte sich. Lena stand in der Vormittagssonne und schaute über die Stadt. In kurzer Zeit würde sie ihre Zelte in der schönsten Stadt der Welt abbrechen und nach Berlin ziehen. Das war bedeutsam, das war wichtig. In diesem Moment glaube Lena, dass gestern Abend einmalig gewesen war. Wunderschön. Aber einmalig.
10 Minuten später saß sie wieder an ihrem Schreibtisch. Sie vermied es, auf ihren Posteingang zu klicken, der Bildschirmschoner tat noch seinen Dienst. Und doch wusste sie, dass sie es nur aufschieben konnte. Sie bewegte die Maus und sah die Mail im Posteingang.
Jetzt würde sie ja die Antwort lesen, und eben auch damit abschließen.
Und sie las:
„Lena,
Du bist meine Königin.
Ich nehme dein Geschenk an.
Das nur du mir geben kannst –
Du
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