Hinreißend untot
verletzen. Die Brandwunden reichten ihm für diese Nacht. »Nein. Wenn ich mich recht entsinne, habe ich bei unserer letzten Begegnung etwas für dich getan. Ich erwarte von dir, dass du den Gefallen erwiderst.«
»Wie?« Es gefiel mir nicht, in welche Pachtung das Gespräch führte.
»Ich brauche einen Körper für den Abend, und dieser nützt mir nichts mehr – er könnte jeden Moment zusammenbrechen. Ich brauche einen starken Körper, und deiner wäre mir sehr recht.«
Ich wich einen Schritt zurück. »Du kannst keine Vampire übernehmen.«
»Nein, aber du bist imstande, mich selbst ohne einen Körper zu sehen, wie du bei unserer ersten Begegnung gezeigt hast. Nun gut. Ich beschreibe dir den Weg, und du folgst meinen Anweisungen. Dann kann dieser Bursche zu seinem weichen Bett und seiner zänkischen Frau zurückkehren.«
»Ich habe keine Zeit, dir zu helfen. Es warten eigene Aufgaben auf mich.« Er lächelte sanft. »Ja. Du möchtest Lord Mircea helfen, seinen gemeinen Bruder hinter Schloss und Riegel zu bringen, damit Europa vor seinen teuflischen Umtrieben geschützt ist, nicht wahr?« Er lachte, als er meinen Gesichtsausdruck sah, wieder mit der Stimme, die mir eine Gänsehaut bereitete. »Ich habe dich beim Ball mit Mircea gesehen. Und ich sehe jetzt sein Zeichen auf dir.«
Er unterbrach sich, und wir hörten es beide: das Klirren von Stahl auf Stahl, nicht weit entfernt. Das hatte mir gerade noch gefehlt: Dracula, der Mircea tötete, bevor Myra Gelegenheit dazu fand! Ich wollte den Mann zur Seite schieben, doch er ergriff mich am Arm.
»Habe ich recht? Bist du deshalb hier – um ihm das Leben zu retten?« Ich stieß den Arm fort, und es war mir gleich, dass Stokers Hand mit einem lauten, vielleicht sogar knochenbrechenden Pochen an die Wand knallte. »Ja! Und jetzt
aus dem Weg!«
Ich lief an ihm vorbei, raste zur Bühne und erreichte sie gerade noch rechtzeitig. Zwei Gestalten führten dort einen Schwertkampf, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Macht knisterte um sie herum, heller als die von den Schwertklingen springenden Funken. Ich konzentrierte mich auf Mircea, doch wenn er verletzt war, ließ sich nichts davon erkennen.
Er trug ein weißes, am Hals geöffnetes Hemd, und es wies keine Blutflecken auf. Sein Haar hatte sich aus der Spange gelöst und wogte hin und her, während sein hagerer Leib mit tödlicher Eleganz durch komplexe Bewegungsmuster floss. Ich blinzelte, wandte den Blick ab und versuchte, mich zu konzentrieren. Als ich mich dem Geschehen wieder zuwandte, sah ich zum ersten Mal Mirceas legendären Bruder.
Normalerweise kriegte ich ein Prickeln im Rücken, wenn ich einen Vampir sah, aber diesmal spürte ich nichts dergleichen. Vielleicht lag es daran, dass ich in Augustas Körper steckte. Oder ich war zu sehr damit beschäftigt, mich zu konzentrieren. Wie dem auch sei, Dracula vermittelte mir einen starken Eindruck von Falschheit. Die Gefahr im Raum schien zu einem roten Dunst kondensiert zu sein, wie von zerstäubtem Blut. Das passte gut zum schneeweißen Gesicht und den glühenden grünen Augen, die Farbe von brennenden Smaragden. Augustas Instinkten gefiel es gar nicht – sie flehten mich praktisch an, die Flucht zu ergreifen.
Die beiden Vampire auf der Bühne glitten durch die Bewegungen des Kampfes, als wäre es eine stille, tödliche Poesie. Selbst mit Augustas Sinnen fiel es mir schwer, von den Klingen mehr zu sehr als nur huschende Schemen. Wenn sie aufeinander trafen, hallte das metallene Klirren wie Maschinengewehrfeuer durchs Theater, und nach jedem Blinzeln befanden sich die Schwerter einen ganzen Meter oder mehr von der Stelle entfernt, an der ich sie zum letzten Mal gesehen hatte.
Ich hielt mich am Vorhang fest, und mir stockte der Atem, als sich Mircea zu Boden warf und dadurch nur knapp einem Schwerthieb seines Bruders entging. Er schlug mit der eigenen Klinge nach den Fußknöcheln seines Gegners, doch Dracula setzte mühelos darüber hinweg. Als er landete, war Mircea schon wieder auf den Beinen, und der Kampf ging weiter.
»›Aus! Kleines Licht! – Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild; ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht sein Stündchen auf der Buhn’, und dann nicht mehr.« ‹ Ich war so sehr auf den Kampf konzentriert gewesen, dass ich Stoker erst bemerkte, als er erneut aus Macbeth zitierte.
»Was willst du?«, fragte ich den Inkubus in ihm.
»Das habe ich dir bereits gesagt, Teuerste: deine Hilfe.«
»Ich bin beschäftigt«,
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