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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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die andere Loge zu betreten, war so groß, dass ich eigentlich misstrauisch werden musste. »Dort drin steht eine Flasche Wein, und vielleicht enthält sie Gift. Sie müssen sie holen!« Ich wusste nicht, ob Gift einen Vampir umbringen konnte, aber mir lag nichts daran, es herauszufinden.
    Für ein oder zwei Sekunden versuchte es Pritkin mit seinem finsteren Blick, und als sich dann sein Gesichtsausdruck änderte, wusste ich, dass ich in Schwierigkeiten war. »Wenn ich das für Sie mache … Schwören Sie mir dann, so lange mit mir zu reden, wie ich möchte, ohne dass Sie durch die Zeit springen, mich zu töten versuchen oder mir irgendwelche Zauber, Flüche oder andere Hindernisse in den Weg legen?«
    Ich blinzelte. »Sie wollen
reden?«
Das hatten wir nie, richtig miteinander geredet, meine ich. Wir hatten mit Messern nacheinander gestochen, aufeinander geschossen und versucht, uns gegenseitig in die Luft zu jagen, klar, aber geredet hatten wir nie miteinander. »Worüber?«, fragte ich nervös, doch Pritkin gönnte mir nur ein hintergründiges Lächeln. Er hatte mich in der Hand, und das wusste er. »Na schön. Worüber auch immer. Wir reden miteinander, wenn
Sie
versprechen, nicht zu versuchen, mich umzubringen, einzusperren oder zum Kreis oder sonst wem zu zerren. Und Sie bekommen auch nicht unbegrenzt viel Zeit. Eine Stunde. Nicht eine Sekunde länger.«
    »Einverstanden.« Eins musste ich ihm lassen: Er verlor keine Zeit, nachdem wir übereingekommen waren, ließ mich sofort los und betrat die Loge. Ich wartete mit wachsender Ungeduld, während die Sekunden verstrichen, doch nichts geschah. Schließlich hielt ich es nicht länger aus und kehrte in die leere Loge zurück, damit ich wenigstens beobachten konnte, was passierte. Der Anblick gefiel mir nicht.
    Auf der Bühne begann ein dürrer Macbeth mit hängendem Schnurrbart den Dolch-der-Einbildung-Monolog, während in der Loge Pritkin einen echten Dolch am Hals spürte, was er der Blondine verdankte. Mircea stand hinter ihr und schirmte sie vom Publikum ab, aber meine Loge war der Bühne näher, und ich sah sie deutlich.
    Bevor ich Gelegenheit bekam zu überlegen, wie ich Pritkin helfen konnte, wurde alles noch schlimmer, denn Mircea machte Anstalten, die Flasche zu öffnen. Er sah den Magier an, und ein dünnes Lächeln lag auf seinen Lippen. Sein Blick bereitete mir Unbehagen. Mircea war immer ein großer Anhänger von gerechter Strafe für ein Verbrechen gewesen. Wenn er glaubte, dass Pritkin ihn zu vergiften versucht hatte, zwang er ihn vielleicht dazu, die Flasche auszutrinken – um zu sehen, was dann geschah.
    Normalerweise hätte sich Pritkin selbst aus der Affäre ziehen können, aber er versuchte, keine Aufmerksamkeit auf das Geschehen zu lenken. Ich wusste sein Bestreben zu schätzen, die Integrität der Zeitlinie zu wahren, doch es erschien mir übertrieben, sich deshalb töten zu lassen. Ich war die Pythia, zumindest vorübergehend, und so weit wäre ich nicht gegangen. Normalerweise hätte ich mir wegen Pritkins Tod keine grauen Haare wachsen lassen, aber er hatte die Loge nur auf meine ausdrückliche Bitte hin betreten. Wenn er starb, war das zumindest teilweise meine Schuld. Ich seufzte und hob die Hand. Ein matt glühender Dolch sprang aus dem Armband und schwebte daneben. Ein leises Summen ging von ihm aus, als freute er sich auf einen Kampf. Mir kamen Bedenken – vielleicht entschied der Dolch, sich in Pritkin zu bohren, anstatt die Flasche zu zerbrechen. Das Armband und der Kriegsmagier mochten sich nicht sehr und mussten erst noch lernen, auf der gleichen Seite zu kämpfen.
    »Nimm dir
nur
die Flasche vor«, sagte ich streng. »Greif nicht den Magier an – du weißt ja, wie er auf so etwas reagiert. Ich meine es ernst.« Der Dolch kippte vorn kurz nach unten, was nach einem Nicken aussah, und sauste davon. Er flog über den Balkon hinweg und hielt genau auf die Flasche zu, die Mircea gerade an Pritkins Lippen gesetzt hatte. Mühelos zerbrach er das dicke Glas, und dunkler Rotwein strömte über den Mantel des Magiers und Mirceas weißes Hemd. Mircea wirbelte herum, den Flaschenhals noch in der einen Hand, und sah mich. Er öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, brachte aber keinen Ton hervor, stand einfach nur da und starrte mich an.
    Mein Messer nahm sich leider kein Beispiel an ihm und beschloss, es ein wenig zu übertreiben. Der Macbeth auf der Bühne fragte gerade, ob das ein Dolch war, den er vor sich sah. Mein blitzendes und

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