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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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angenommen, dass die Sache im Saal des Senats stattfand, und wie sich herausstellte, lag ich mit dieser Annahme richtig. Die große widerhallende Leere war nicht mehr leer. Die riesige Mahagoniplatte, die als Senatstisch fungierte, war noch immer da, diente jetzt aber einem anderen Zweck. Die normalerweise auf der einen Seite stehenden Stühle hatte man zu einem Halbkreis vor dem Tisch angeordnet. Dahinter bildeten Bänke lange Sitzreihen für Wer-Geschöpfe, Magier und Vampire. Nur Elfen fehlten, es sei denn, sie sahen den Magiern so ähnlich, dass ich sie nicht auseinanderhalten konnte. Nach meinen Erfahrungen im Dantes bezweifelte ich das. Ich war genau an der gewünschten Stelle erschienen, neben Tomas. An irgendwelchen Raffiniertheiten war ich nicht interessiert, und vermutlich hätten die Umstände so etwas ohnehin nicht zugelassen – ich musste Tomas berühren, um ihn beim Sprung mitzunehmen. Jack war bei meinem plötzlichen Erscheinen einige Schritte zurückgewichen, aber zu meiner großen Überraschung machte er keine Anstalten, mich zu ergreifen. Mein Blick glitt wie von allein über die Sitzreihen und suchte nach einem bestimmten Gesicht. Ich fand ihn sofort: Er saß am Ende der vordersten Reihe, an der Stelle, die mir am nächsten war. Mircea trug einen eleganten, perfekt geschnittenen schwarzen Anzug und darunter ein graues Hemd aus Seide.
    Manschettenknöpfe aus Platin glänzten matt im Lampenschein und stellten seinen einzigen Schmuck dar. Er wirkte so fesch und selbstsicher wie üblich, doch seine Aura flackerte heftig. Sie leuchtete auf, als er mich sah, doch er blieb sitzen. Hinter ihm waren viele der Zuschauer aufgesprungen und hatten dadurch einige Sitzbänke umgestoßen. Die Konsulin stand, ihre eine Hand erhoben – vermutlich wollte sie die anderen auf diese Weise zurückhalten. Jeder Gruppenbereich in MAGIE war hochheilig, vergleichbar mit einer Botschaft, die sich zwar auf fremdem Staatsgebiet befand, aber der Regierung gehörte, die sie vertrat. Die Wer-Geschöpfe und Magier mussten sich im Vampirbereich ordentlich benehmen; andernfalls verstießen sie gegen die Vereinbarungen, die sie schützten, und dann begann die Jagdsaison. Ich fühlte, wie Sheba erwachte und sich auf meinem linken Schulterblatt eine Pfote leckte. Sie war bereit, es rundgehen zu lassen – schade nur, dass ich allein sie hatte und nicht noch tausend andere ihrer Art. »Du bist zu uns zurückgekehrt, Cassandra.« Die Konsulin schien wie immer die Gelassenheit selbst zu sein. Die einzigen Bewegungen stammten von ihrem Outfit, das aus nackter Haut und vielen sich hin- und herwindenden Schlangen bestand. Diesmal waren es kleine, nicht länger als ein Finger, und sie schienen eine zweite, schimmernde Haut auf ihrem Leib zu bilden. »Wir haben uns Sorgen um dich gemacht.«
Etwas strich über mich hinweg und bescherte mir ein sonderbares Prickeln auf der Haut. Es tat nicht weh, aber ich wusste nicht, was es war, und das beunruhigte mich angesichts der besonderen Situation. Ich beschloss, keine Zeit zu verlieren.
    »Bestimmt. Nun, leider kann ich nicht bleiben und ein wenig mit Ihnen plaudern. Vielleicht beim nächsten Mal.« Ich ergriff Tomas an der Schulter und versuchte zu springen, aber nichts geschah. Ich fühlte nicht die geringste Aktivität von meiner Macht, obwohl sie eben noch hell und stark gewesen war.
    »Du kannst nicht durch die Zeit springen, Cassandra«, sagte die Konsulin in dem für sie typischen ruhigen Ton. Sie hatte eine gute Stimme, weich und ein wenig rauchig. Ein Mann hätte sie vermutlich für sexy gehalten; bei mir führte sie zu einer anderen Reaktion.
    Tomas bewegte sich, und ich sah auf ihn hinab. »Es ist eine Falle«, krächzte er schwach. »Sie haben gesagt, du würdest versuchen, mir zu helfen. Ich habe es nicht geglaubt, weil ich keinen Grund dafür erkennen konnte. Warum bist du zurückgekehrt?« Die mühevollen Worte schienen ihn viel Kraft zu kosten, denn er verlor das Bewusstsein. Ich starrte die Konsulin an, die meinen Blick ruhig erwiderte, ohne den geringsten Hinweis von Reue in ihrem schönen Gesicht.
    Tomas lebte, aber seine Wunden waren schlimm – sehr schlimm. Wie ein bizarres Kunstwerk lag er auf dem dunklen Holz, wie etwas, das Picasso gemalt hätte, wenn er bestrebt gewesen wäre, einen Albtraum auf die Malerleinwand zu bringen. Dies mochte eine Falle sein, aber eins stand fest: Wenn ich nicht gekommen wäre, hätte der Senat zugelassen, dass Jack Tomas tötete. Wahrscheinlich

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