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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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Schuh verloren hatte. Er war grellrot gewesen, nicht rosa, und er hatte funkelnagelneu ausgesehen, doch ansonsten glich er diesem Exemplar. Zum Glück versperrte Mirceas Körper die Sicht auf mich, denn ich war ziemlich sicher, dass ich meinen Gesichtsausdruck nicht unter Kontrolle hatte. Das Theater. Ich hatte diesen Schuh vor mehr als hundert Jahren im Londoner Theater verloren.
    »Cassandra?« Die Verzögerung schien der Konsulin nicht zu gefallen, was seltsam war angesichts ihrer Angewohnheit, bei den unpassendsten Gelegenheiten Schweigeminuten einzulegen. Ich antwortete nicht und erinnerte mich an den Funken, den ich der Vergangenheit wahrgenommen hatte. Der Mircea in jener Zeit hatte nicht unter einem
Geis
gestanden, im Gegensatz zu mir. Der Zauber musste ihn als das für seine Vervollständigung erforderliche Element erkannt haben und hatte daraufhin die Verbindung hergestellt. Die Erkenntnis traf mich mit der Wucht eines Vorschlaghammers. Ich hatte Mircea unabsichtlich mit einem Zauber belegt, der über ein Jahrhundert hinweg gewachsen war.
    »Wann?«, wiederholte die Konsulin in einem Tonfall, der daraufhinwies, dass sie nicht gern zweimal fragte.
    »Ich bin mir nicht sicher«, sagte ich schließlich. Meine Stimme war heiser, doch es gelang mir nicht, mich zu räuspern. »Vielleicht …« Ich schluckte. »Vielleicht ist es in den späten 1880er Jahren geschehen.« Jemand fluchte, aber ich sah nicht, wer es war. Es fiel mir schwer genug, auf die Konsulin konzentriert zu bleiben. Die Hitze von Mirceas Körper und das Entsetzen darüber, was ich ihm angetan hatte, bewirkten Chaos in meinen Emotionen. Leidenschaft und Schuld rangen miteinander, aber auch die Furcht reckte ihren Kopf ziemlich hoch. In meiner Magengrube krampfte sich etwas zusammen.
    Die Konsulin wirkte nicht erfreut. »Der
Geis
wurde nach deinem Verschwinden inaktiv, weil er sich nicht vervollständigen konnte«, sagte sie nachdenklich. »Und als ihr euch erneut begegnet seid, warst du nur ein Kind und damit zu jung, den Zauber neu zu aktivieren. Doch dann habt ihr euch als Erwachsene getroffen, woraufhin der
Geis
wieder erwachte und an Kraft gewann.«
    Ich brachte es fertig zu nicken. Mircea hatte meine Hand gestreichelt, um weiterhin in Kontakt mit mir zu bleiben – sein Daumen war über die Knochen meines Handgelenks und die Innenfläche der Hand gestrichen. Jetzt wanderten seine Hände über meinen Arm, als wünschte er sich mehr Kontakt, und überall dort, wo er mich berührte, hinterließ er flüssiges Wohlbehagen. Es drang in meine Haut ein und ließ mich schwindelig werden, als sei es ein Rauschmittel – was es vielleicht auch war. Ich wusste nicht,
wie
der Zauber funktionierte, aber eins stand fest: Er funktionierte verdammt gut.
    Ich wollte für immer an diesem Ort verweilen, mit dem
Geis
wie ein sanft fallender Wasserfall um uns herum. Mir war klar, dass es nichts mit der Realität zu tun hatte, dass es sich um einen Zauber handelte, der zu lange Zeit gehabt hatte, sich festzusetzen, aber es schien kaum eine Rolle zu spielen. Würde ich in meinem Leben jemals wieder auf diese Weise empfinden? Ich hatte vierundzwanzig Jahre der Realität hinter mir und war solchen Gefühlen nicht einmal nahe gekommen. War eine so gute Lüge nicht etwas wert? Die Antwort meines Körpers bestand aus einem klaren Ja. Doch eine winzige Stimme flüsterte, dass es eigentlich nicht um diese Frage ging, oder? Es ging nicht darum, ob sie etwas wert war, sondern ob sie alles wert war, denn der Zauber verlangte dieses Alles. Und das konnte er nicht bekommen.
    »Wer den Zauber schafft, kontrolliert ihn«, sagte die Konsulin. »Und du hast dich mehr als hundert Jahre nicht darum gekümmert.«
    »Es steckt keine Absicht dahinter!«
    Sie wölbte eine perfekt geschwungene Braue und zitierte aus dem offiziellen Vampir-Kodex. »Wir reden vom Ergebnis, nicht von Absicht.« Vampire waren bei solchen Dingen äußerst praktisch. Das Resultat einer Handlung war immer wichtiger als der Umstand, ob Schaden angerichtet werden sollte oder nicht. Und das Resultat meiner Handlung war katastrophal.
    »Was ist mit dem ursprünglichen Zauber, den ich Mircea verdanke?«, fragte ich verzweifelt. »Wenn er ihn entfernt … Dann lässt die Wirkung vielleicht nach.« Und dann bekamen wir vielleicht Zeit genug, einen Magier zu finden, der das Duplikat neutralisieren konnte.
    »Das wurde bereits versucht, Cassandra«, teilte mir die Konsulin geduldig mit.
    »Der Zauber erweist sich als

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