"Hinsetzen, anschnallen, Klappe halten!" - die unglaublichsten Mitfahrgeschichten
verurteilen, unfassbar.« Sie schüttelt empört den Kopf.
»Anklagen? Wen?«
Mitfahrerin, ungläubig: »Hast du das etwa nicht gehört? Die wollen den echt bestrafen, weil er das Ganze verraten hat, was er rausgekriegt hat. Das über die geheimen Dokumente.«
Endlich fällt bei mir der Groschen. »Äh, reden wir hier vielleicht gerade über Wikileaks und Julian Assange?«
Nina
Mut zur Lücke
»Komisch, dass die nicht kommt.« Christian schaut sich um. Doch am Münchner Hauptbahnhof ist weit und breit keine Frau zu sehen, die aussieht, als wolle sie bei uns einsteigen.
»Die taucht bestimmt nicht auf«, tippt der andere Mitfahrer, der wie ich nach Mannheim will, und sagt, so etwas habe er schon häufig erlebt.
»Ich ruf sie jetzt mal an«, entschließt sich unser Fahrer nach einer weiteren Viertelstunde. »Hi, hier ist der Christian – ich wollte mal fragen, ob du noch kommst.«
Nach einer kurzen Pause wiederholt er: »Äh, der Christian. Von der Mitfahrgelegenheit.«
Kurz darauf fragt er völlig fassungslos: »Was heißt das, du sitzt schon drin?«, grinst dann, sagt in den Hörer »Ist okay« und legt auf.
Dann wendet er sich uns zu: »O Mann, da ist die Tussi glatt bei der falschen Mitfahrgelegenheit eingestiegen und befindet sich jetzt auf dem Weg nach Prag. Kommt davon, wenn man bloß fragt: ›Seid ihr die Mitfahrgelegenheit?‹«
Petra
Bereifte Mörder
»Viele haben ja direkt Angst, wenn sie mein Kennzeichen sehen, deshalb gebe ich das in den Anzeigen nie mit an«, erzählt Kai, der Fahrer des dunkelgrünen VW Golf mit dem Kennzeichen »BM« für Bergheim, mit dem ich von München nach Köln fahre. Ich weiß von Freunden, dass die Bergheimer im ganzen Umkreis als rasante und rücksichtslose Fahrer gelten und sich deshalb entsprechende Sprüche gefallen lassen müssen.
»Echt? Wie gemein«, sage ich trotzdem höflich. »Immer diese Vorurteile.«
»Ja«, seufzt er. »Dabei sind andere schlimmer.«
»Eben«, bestätige ich.
»Aber nur wir kriegen so bescheuerte Kommentare wie ›Beladene Mülltonne‹ und so zu hören«, beklagt Kai sich weiter. »Und ›Bereifte Mörder‹, auch voll dämlich«, ergänzt er.
Beifahrer Björn, der nicht zugehört hatte, schaut nachdenklich von seinem Computermagazin hoch. »Wofür steht denn BM eigentlich?«
Basti, der neben mir sitzt, klärt ihn auf und meint es tatsächlich ernst: »Na, Borussia Mönchengladbach.«
Nina
Die Wortverwechslerin: Geburtstagsgeschenke
Die Flashdancebegeisterte, Fastpsychopathin, Wikipediabefürworterin und ich sind inzwischen kurz vor dem Ziel in Heilbronn.
»Und was machst du am Wochenende so?«, frage ich, als schon länger Stille zwischen uns geherrscht hat.
»Ich bin morgen Abend auf dem Geburtstag von einem Freund.«
»Schön. Und was schenkst du ihm?«
»Wir haben zusammengelegt, weil er sich so einen Projektor gewünscht hat.«
»Wow, da musstet ihr bestimmt kräftig zusammenschmeißen, oder?«
Sie zuckt die Achseln. »Geht eigentlich. War gar nicht so teuer, wie ich dachte.«
Interessiert hake ich nach. »Welche Marke denn?«
»Ich glaube, Black Canyon oder so ähnlich.«
Ich stutze. Nicht dass ich Expertin für Projektoren wäre, aber von dieser Marke habe ich noch nie gehört. »Und was habt ihr ausgegeben?«
»Ich glaube 70 Euro!«
»70?«, frage ich ungläubig. »Das ist ja total wenig. Dafür kriegt man tatsächlich einen Projektor?«
Sie nickt.
Schweigend fahren wir weiter.
»Ich habe auch schon mit dem Gedanken gespielt, mir einen zuzulegen«, sage ich irgendwann.
»Echt?«, fragt sie überrascht.
»Ja, aber der Preis hat mich abgehalten. 300 Euro mindestens, das war mir zu teuer.«
Sie kratzt sich am Kopf und mustert mich verwundert. Dann fragt sie: »Und seit wann fährst du Motorrad?«
Ich: »Hä? Wieso Motorrad?«
Mitfahrerin: »Ja, seit wann fährst du?«
Ich: »Ich fahre nicht Motorrad.«
Mitfahrerin: »Aber …«
Ich: »Ja?«
Mitfahrerin: »Wofür brauchst du denn dann Projektoren?«
Langsam drehe ich ihr den Kopf zu ihr. Noch eine Wortverwechslung aufzuklären, das packe ich nicht. »Ach so, klar, ich fahre Mountainbike«, denke ich mir schnell aus. »So im Gelände. Da braucht man ja auch solche Schutzbekleidungen für die Arme und vor allem für den Rücken.«
Ich muss mich kurz räuspern, um nicht laut loszulachen. Projektoren!
Zufrieden nickt sie. Ich aber stelle mir für den Rest der Fahrt vor, wie ihr Freund mit einem Projektor auf den Rücken
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