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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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mein Kollege, stocknüchtern wohlgemerkt, will nach rechts abbiegen, blinkt, fährt rüber und bumm. Wollt von hinten einer rechts vorbei, in vollem Tempo, volle Kanne. Das Blöde: Hannes war nicht angeschnallt. Ging nicht aus bestimmten Gründen. Und seine alte Kiste hat dieses Warnsystem noch nicht eingebaut, wo der Piepton so laut wird, daß du durchdrehst, wenn du dich nicht anschnallst. Hat natürlich massive Nachteile, das System.«
    Das Licht ging aus.
    Fallnik bewegte sich nicht.
    Auch Gregorian zögerte. Dann schloß er seine Wohnungstür und drückte wieder auf den altmodischen roten Kunststoffknopf. Erleichtert stellte er fest, daß sein Herz langsamer schlug und er allmählich seine Konzentration wiederfand.
    »Welche Nachteile?« fragte er, überzeugt, nie wieder einen Fuß ins Marienstüberl zu setzen.
    »Angenommen«, sagte Fallnik und zog seine Hände hinter dem Rücken hervor, wo er sie die ganze Zeit verschränkt gehalten hatte, und rieb sie sich. Gregorian sah, daß er schwarze Lederhandschuhe trug. »Du hast eine wie die Susi neben dir sitzen, und ihr fährt durch die Gegend und deine Hose platzt gleich, was machst du da? Dann mußt du den Sicherheitsgurt von der Susi natürlich losmachen. Anders kommt die mit dem Kopf ja nicht da hin, wo sie hinmuß. Und was passiert? Es piept. Und piept, und du fährst. Und sie macht rum, und das Ding hört nicht auf zu piepen. Verdammter Sound. Kannst du nicht abstellen. Das ist der Nachteil an dem Warnsystem. Jedenfalls war der Hannes nicht angeschnallt. Der Depp brettert in ihn rein, die Kiste vom Hannes dreht sich im Kreis, und er schlägt mit den Haxen gegen das Armaturenbrett und an die Fahrertür und was weiß ich. Crash. Der Depp ist weg. Verstehst du, Big Bert, der Depp begeht Fahrerflucht. Direkt am Stachus. Haut der ab und denkt, niemand merkt was. Volldepp.«
    Gregorian machte wieder einen Schritt auf die Treppe zu.
    »Haben sich Zeugen gemeldet?« fragte er, als würde es ihn interessieren. »Haben sie den Mann identifiziert?«
    »Keine Sau hat sich gemeldet.« Fallnik hörte auf, sich die Hände zu reiben und ruckte mit dem Kopf. »Nach unten? Ich auch. Was treibst du eigentlich den ganzen Tag? Hab ich dich schon hundertmal gefragt. Du bist irgendwie zwielichtig, Big Bert.«
    »Ich bin Rentner.« Gregorian ging schräg hinter Fallnik die Treppe hinunter. Er war kurz davor, sich wieder die Nase zuzuhalten.
    »Das ist ja klar, aber was machst du so? Deine Sache. Der Hannes …« Abrupt blieb Fallnik stehen. Gregorian hielt ebenfalls inne und umklammerte das Geländer. »Der profitiert jetzt von der Digitaltechnik. Der Hannes spürt jetzt am eigenen Leib, was es heißt, wenn der Staat, in dem Fall die Stadt, auf ihn aufpaßt. Wann warst du zum letztenmal am Stachus?«
    Gerade, als Gregorian auf die Frage irgendeine Antwort geben wollte, ging Fallnik weiter in den ersten Stock hinunter.
    »Hast du dich am Stachus schon mal umgeschaut? Ich mein nicht den Weibern zuschauen, die am Brunnen ihre Röcke hochheben oder dir auf der Rolltreppe zum Untergeschoß die Zunge rausstrecken. Schon mal eine probiert? Eine sechzehnjährige Zunge? Oben, verstehst du, Big Bert, auf dem Dach vom Königshof ist eine Kamera. Nie gesehen, stimmts? Auf dem Dach von dem Hotel, kannst du von der Straße aus sehen. Und diese Kamera schwenkt um dreihundertsechzig Grad, die hat also die Bayerstraße genau im Visier, die Sonnenstraße bis runter zum Lenbachplatz und natürlich den ganzen Stachus bis in die Neuhauser rein. Was, glaubst du, ist da los jeden Tag? Das reinste Neapel. Drogenhandel, Diebstahl, Prostitution, illegale Ausländer, Schlägereien, Totschlag, die ganze Palette. Deswegen die Videokamera. Wie bei uns vorn am Ring, die schwenken alles ab. Also paß auf, wenn du dir in der Nase bohrst. Oder Damen anbohrst.« Im Gehen drehte er den Kopf und verzog den Mund und redete mit tonloser Stimme weiter. Nebenher klatschte er mit der flachen Hand auf den Lichtknopf.
    »Der Volldepp ist voll drauf auf den Bildern. Die Kamera wird ja nachts nicht abgeschaltet. So haben sie ihn erwischt. Ein EDVler aus Tutzing. Ausgerechnet. Unfall mit Fahrerflucht, das Opfer schwer verletzt, gibt minimal fünf Jahre Führerscheinentzug und Freiheitsstrafe von drei Jahren. Volldepp. EDVler. Was wär jetzt, wenn wir die Überwachung nicht hätten? Bei einem wie dem Hannes fängt’s an und bei den Leuten, die von Terroristen in der U-Bahn in die Luft gesprengt werden, hört’s auf. Nach dir,

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