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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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sie Verdacht schöpfte oder er in Deckung gehen mußte.
    Nur einmal, auf der Riesenfeldstraße, war er von einer anderen Frau, die ihn auf offener Straße ungeniert anlächelte, irritiert und abgelenkt und er bemerkte erst in letzter Sekunde, daß Clarissa sich umwandte. Er huschte in eine Einfahrt und rannte durch einen Innenhof, der genauso aussah wie der vor seinem Fenster, zum gegenüberliegenden Haus und erreichte durch eine weitere Zufahrt die Straße. Er lief so lange weiter, bis er sicher war, Clarissa würde ihn nicht verfolgen. Er haßte die Frau, die ihn abgelenkt hatte.
    Dann passierte die Sache mit dem Gast im Club Dinah.
    Gregorian las in der Zeitung darüber und wußte eine Zeitlang nicht, was er davon halten sollte. Der Mann war am Kreuz gestorben, nackt und freiwillig. Armes Schwein, dachte Gregorian, ich bemitleide ihn nicht. Clarissa hat den Mann geschlagen, gnadenlos, wie es ihrer Art entspricht, dachte Gregorian. Niemand kann mir einreden, der Mann sei einem Unfall zum Opfer gefallen.
    Irgend etwas, vermutete Gregorian, wurde vertuscht, und nur Clarissa kannte die Wahrheit.
     
    Wochenlang verließ Gregorian seine Wohnung nur einmal am Tag, nach Einbruch der Dunkelheit, um alle fünf in der Stadt erscheinenden Tageszeitungen zu kaufen. Bald fand er keine neuen Informationen mehr über den Toten im Club Dinah, überhaupt schien das Ereignis niemanden so zu beschäftigen wie ihn. Keine Nachbarn kamen zu Wort, keine Kunden, niemand aus dem Umfeld der Tatverdächtigen, die nicht einmal so genannt wurde, sondern unglückliche Geschäftsfrau, die untröstlich über das Geschehen sei.
    Gregorian glaubte kein Wort. Warum hatte sie immer weiter zugeschlagen? Hätte sie nicht innehalten und den Mann verschonen können? Ja. Aber sie wollte ihn nicht verschonen.
    So wie sie ihn, Gregorian, ihren Freund, zu dem sie Bert gesagt und der ihr ein unbeschwertes Leben auf dem Land in Aussicht gestellt hatte, aus Verärgerung nicht nur einmal, sondern zweimal geohrfeigt hatte, und dann noch ein drittes Mal. So, als genieße sie seine Verurteilung. Abgestraft hatte sie ihn, gnadenlos, und er war wehrlos gewesen. Wie der Mann am Kreuz. Warum hatte sie ihn getötet?
    Gregorian spielte mit dem Gedanken, als unerkannter Zuschauer in den Gerichtssaal zu gehen.
    Da Clarissa nicht in Untersuchungshaft kam, nahm er nach einem Monat seine Beschattung wieder auf. Ihre Wege führten sie vor allem in Cafés, wo sie entweder allein saß, telefonierte, in Zeitungen blätterte oder mit ihrem Anwalt oder einer der Frauen verabredet war, die für sie arbeiteten. Den Club hatte sie vorübergehend schließen müssen.
    Und nie tauchte ein fremder Mann auf. Nicht in dieser Zeit und nirgendwann sonst. Auch ihre Treffen mit Mika Petrov, ihrem Türsteher und Aufpasser, verliefen unspektakulär.
    Clarissa hatte, das stand für Gregorian spätestens am Tag der Urteilsverkündung fest, kein Verhältnis, keine Affäre außerhalb ihrer Beziehung mit Hans Fehring, dem trinkfesten, fußballspielenden Steuerberater, mit dem sie die Wohnung in der Anhalter Straße teilte.
    Wegen ihm hatte Gregorian sein Leben umgekrempelt.
    Wegen ihm jagte er Clarissa hinterher.
    Fehring war der Kern seines Planes, nicht Clarissa, sie war die Spur und die Voraussetzung für das Gelingen des Plans.
    Hätte es einen anderen Mann in Clarissas Leben gegeben, wäre dieser in der Welt verkehrt gewesen und hätte verabschiedet werden müssen. Das war normal.
    Fehring.
    Der Tod des Mannes am Kreuz bedeutete eine Verzögerung. Alles war durchdacht gewesen, die entscheidenden Vorgespräche waren geführt, die Abläufe exakt festgelegt. Gregorian hatte alles in der Hand und konnte nicht handeln.
     
    Also wartete er. Las Zeitung. Ließ die Verbindung zu dem Mann, der nichts ahnte, nicht abreißen. Ernährte sich von vorgeschnittenem Brot und Oblaten. Lachte nie.
    Die Zeit verging trotzdem, und ihm wurde wieder einmal bewußt, daß es ihm seit seiner frühen Jugend nie gelungen war, sich mit der Zeit zu versöhnen. Sie war immer schon aus, wenn er gerade anfangen wollte dazusein, bei einer Begegnung, auf einem Fest, in einer Umarmung. Bevor er sich versah, winkte er auf dem Bahnsteig dem abfahrenden Zug hinterher. Dem Zug und nicht jemandem am offenen Fenster mit einem weißen wehenden Taschentuch, in dem vielleicht vier Tränen im Fahrtwind trockneten.
    Gregorian winkte Eisen. Keinem Blick. Seit jeher. Clarissa sagte: Es ist aus, und es war aus. Später ohrfeigte sie ihn, weil

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