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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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holen wir dich ab, Maxe.
    Gregorian hatte Fehring dafür verachtet, daß er mit seinen Kumpanen das Oktoberfest besuchte, während seine Geliebte Clarissa unter Anklage stand. Nächstes Jahr, hatte Gregorian gedacht, sehen wir uns.
    Und immer wieder dachte er jetzt: Wir sehen uns. Wie er das Wort Kinderspiel dachte, wieder und wieder: Wir sehen uns.
     
    Nach drei Wochen bekam er unbändigen Hunger auf große salzige Brezen und viereckige Stücke saftigen Leberkäs.
    Barfuß lief er durch die Wohnung, öffnete das Fenster zum Innenhof, warf einen Blick nach drüben, wo der Vorhang vorgezogen war, atmete gierig die kühle Dezemberluft.
    Wenig später fuhr er mit dem Auto in die Innenstadt. Am Promenadenplatz fand er einen Parkplatz. Er sprang aus dem Wagen und eilte in Richtung Theatinerstraße, folgte den Straßenbahnschienen und stürzte wie ein Verdurstender und Verhungernder um halb zehn Uhr morgens in die Franziskaner-Gaststätte.
    In der renovierten Schwemme nahm er an einem der kleinen Fenstertische Platz und winkte sofort der Bedienung, was diese erst einmal standesgemäß übersah.
    Er aß zwei Portionen Leberkäs, dazu drei Löffel süßen Senf aus einem weißen Keramiktöpfchen, und drei Brezen, zu trinken bestellte er ein Glas Mineralwasser und nach dem Essen einen Kaffee mit Zucker, ohne Milch. Danach mußte er dringend auf die Toilette.
    Als er zurückkam, saß am Nebentisch ein älteres Ehepaar und ereiferte sich über die Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumen des Ehemannes ihrer Tochter, dessen Betrügereien zu durchschauen ihre Tochter einfach zu dumm sei.
    Gregorian bezahlte und verließ, wütend über die Belästigung vom Nebentisch, die Gaststätte.
    Auf dem Weg zurück nach Milbertshofen kaufte er abgepacktes Brot, drei Sixpacks Bier und zwei Schachteln Oblaten in einem Supermarkt, wo eine Kassiererin mit roten Strähnen ihn anlächelte und nicht damit aufhörte, bis er wortlos das Wechselgeld einsteckte und seinen Einkaufswagen scheppernd in die Reihe der anderen schob.
    Abends hörte er im Marienstüberl seinem Nachbarn Fallnik zu.
    Am nächsten Tag, Heiligabend, trötete Fallnik ihm wieder ins Ohr, begeistert von den Vorzügen moderner Überwachungstechniken. Und zum Abschied blieb Gregorian nicht einmal der Körper der Wirtin erspart, die ihn an sich drückte, als wäre er ein Stammgast oder schlimmstenfalls ihr Liebhaber.
    An Silvester schaltete er den Fernseher nicht ein.
    Und hätte er kein Klopapier besorgen müssen, wäre ihm am neunten Januar die Begegnung mit Fallnik im Treppenhaus erspart geblieben, an die er das ganze Frühjahr lang immer wieder voller Verachtung denken mußte.

9 Eine Oblate zur Belohnung
    I m März überprüfte Gregorian die Wege von Clarissa Weberknecht und stellte fest, daß sie Fehring immer noch treu war. Dabei war sie doch unfähig, sich mit einem einzelnen zu beschäftigen. Das hatte sie ihm, Gregorian, am letzten Tag erklärt. Es tut mir leid, ich kann mich nicht mit einem einzelnen beschäftigen. Das war der Satz. Er, Gregorian, war der einzelne. Ihm hatte sie den Satz ins Gesicht gelogen, in die Augen, in die Ohren.
    Im Nockherberg-Gasthaus hatte er Fehring einmal gefragt, wie lange er schon mit seiner Freundin zusammen sei, und Fehring hatte geantwortet: Ewig, Maxe. Und deswegen, hatte Fehring hinzugefügt und sein Bierglas gegen das von Gregorian gestoßen, braucht’s ab und zu ein Schmankerl nebenraus. Eine andere Frau? hatte Gregorian gefragt und kam sich dämlich vor. Fehring zwinkerte und trank und schwieg. Er betrügt Clarissa, dachte Gregorian, und sie betrügt ihn.
    Der Sommer kehrte zurück. Manchmal fragte sich Gregorian, wieso er Fallnik in jüngster Zeit kaum noch zu Gesicht bekam. Dann war er froh darüber.
    Im Juli nahm die Polizei dank der gestochen scharfen Aufnahmen der Digitalkamera am Petuelring zwei Männer fest, die in der Kantstraße ein Mädchen überfallen und bei einem Vergewaltigungsversuch lebensbedrohlich verletzt hatten.
    Für den dreiundzwanzigsten September, den zweiten Wiesn-Sonntag, hatten Fehring und seine Kickerfreunde Gregorian ins Sieber-Zelt eingeladen, und er hatte versprochen zu kommen. Sie waren für sechs Uhr verabredet.
    Gregorian saß bereits um halb fünf im Zelt, am Rand einer Bank, von der aus er einen guten Blick zum Eingang hatte. Um ihn herum grölten und schunkelten junge, Unmengen von Bier in sich hineinkippende Italiener, die mit Australiern am Nebentisch um die Wette sangen. Vor sich hatte

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