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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Tüte über das Messer und steckte beides in die Innentasche seiner Jacke zurück. Niemand achtete auf ihn.
    Gregorian drehte Fehrings Körper zur Seite, bog seinen Arm ab, drapierte die Hand auf dem Ohr, so daß es aussah, als könne der Betrunkene den Lärm und den Trubel nicht mehr ertragen.
    Gregorian zog seine Jacke aus und rollte sie zusammen, vermutlich war sie voller Blut.
    Sorgsam darauf bedacht, keiner Bierleiche auf Arme oder Beine zu treten, stieg er den Hang hinauf. Oben überquerte er die Straße und erreichte über den Petra-Moll-Weg, durch den unablässig Gruppen neuer Wiesnbesucher strömten, die U-Bahn-Haltestelle.
    In den Waggons war ein einziges Gedränge. Gregorian drückte sein Bündel an sich und versuchte, sich an die Zahl der Kameras zu erinnern, die nach Fallniks Aussagen an den einzelnen Stationen installiert waren. Er kam nicht drauf. Ihm fiel ein, daß die Züge ohne Kameras fuhren.
    Am Odeonsplatz stieg er aus. Auf der Ludwigstraße, direkt vor dem Odeon-Kino, hatte er seinen Opel geparkt. Er warf das Knäuel auf den Boden vor dem Beifahrersitz und nahm die Schachtel, die auf dem Sitz lag. Vorsichtig zog er eine Oblate heraus und fing an zu knabbern.
    Er hielt die süße Scheibe mit beiden Händen fest, wie ein Kind, und leckte sich die Lippen und aß die Oblate vollständig auf. Er zupfte Brösel vom Hemd und griff nach einer zweiten Oblate. Er aß auch diese auf, rieb sich über den Bauch, wie ein Kind, und fuhr nach Hause.
     
    Er wusch sich gerade im Bad die Hände, als es an der Tür klingelte. Gregorian zögerte, sah in den Spiegel, sah sein altes, eingefallenes, unverändertes Gesicht und ging in den Flur. Das Handtuch hatte er noch in der Hand.
    Sowie er die Tür öffnete, ergriff ihn eine Ahnung.
    Eine unheimliche Ahnung von etwas, das er nicht verstand, breitete sich in ihm aus, wie in einem Kind, das zum erstenmal den nächtlichen Sternenhimmel erschaut.
    »Ich muß dringend mit dir reden«, sagte Clarissa Weberknecht und drängte sich an ihm vorbei in die Wohnung.
     
    *
    Eingehüllt in eine rote Wolldecke saßen sie im Strandkorb und tranken Rotwein und froren. Ihre halbvollen Gläser standen auf dem kleinen, ausklappbaren Holzbrett, die leere Flasche hatte Polonius Fischer neben den Korb auf den Boden gestellt.
    In München – und vermutlich nicht nur in dieser Stadt – war er der einzige Mieter mit einem blauweiß gestreiften Strandkorb auf seinem Balkon. Den Korb hatte er sich aus einem Sylter Dorf liefern lassen. In dem Ort verbrachte er gemeinsam mit seiner Freundin jedes Jahr einige Tage. Manchmal kam Ann-Kristin Seliger mitten in der Nacht auf eine halbe Stunde vorbei, um sich an seiner Seite das Meer vorzustellen. Dann saßen sie auf dem Balkon im sechsten Stock, und unten rauschte statt der Nordsee der Verkehr auf der sechsspurigen Sonnenstraße.
    Sie hatten lange genug geschwiegen.
    »Du mußt aufbrechen«, sagte er.
    Sie reichte ihm sein Glas. Sie tranken und behielten die Gläser in der Hand. »Wahrscheinlich«, sagte sie, »war es eine ganz normale Wiesnstecherei. Du hast doch letztes Jahr schon erzählt, daß die Schläger immer brutaler werden und in den zwei Wochen Oktoberfest mehr als hundert schwere Körperverletzungen passiert sind. Heuer sind die Leute bestimmt nicht friedlicher.«
    »Einer Schlägerei, noch dazu, wenn Waffen im Spiel sind, gehen immer verbale Attacken voraus. Dann gibt es Zeugen, und irgendjemand ruft die Polizei. Es kommt selten vor, daß jemand einfach zusticht. Und warum hat diesmal niemand etwas bemerkt?«
    »Der Mann war doch mit einer Gruppe da, haben die nichts mitgekriegt?«
    »Nein«, sagte Fischer. »Die anderen waren im Zelt, er wollte auf die Toilette gehen.«
    »Vielleicht wollte er noch jemanden treffen.« Ann-Kristin stellte das Glas auf das Brett. Sie traute sich nicht, mehr zu trinken, weil ihre Schicht bis sieben Uhr morgens dauerte.
    »Er war mit niemandem verabredet, sagen seine Freunde. Morgen werden wir wissen, ob die Tat eine Mordqualifikation hat.«
    »Du hast keinen Zweifel daran.«
    »Nein.«
    Ann-Kristin schälte sich aus der Decke, in der sie sich an Fischer geschmiegt hatte, und stand auf. »Aber du kannst es noch nicht beweisen.«
    »Und das einzige, was zählt, ist das, was ich beweisen kann.«
    »Viel Glück, mein Herzensriese.«
    »Bleib wachsam«, sagte er an der Tür zu ihr, wie so oft.

10 Das verborgene Zimmer
    G rüß dich.«
    In dieser Sekunde hatte er ihren Namen vergessen. Als sie aber den Kopf

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