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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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drehte, fiel er ihm zum Glück wieder ein.
    Sie blieb stehen und blickte vom gegenüberliegenden Bürgersteig zu ihm her.
    »Kennst du mich noch?«
    »Ach du«, sagte sie. »Was machst du hier?«
    »Krankenbesuch bei einem Freund.« Arthur Fallnik schob seine Schirmmütze in den Nacken. »Der hatte einen schweren Autounfall. Mitten in der Stadt. Der Volldepp, der schuld war, ist abgehauen. Aber die Polizei hat ihn gekriegt. Ich nehm dich ein Stück mit, wenn du willst. Linda.«
    »Du weißt ja meinen Namen noch.«
    »Ist noch nicht so lang her, seit wir uns getroffen haben. Frierst du nicht in der dünnen Jacke?«
    »Die ist gefüttert. Welche Richtung fährst du?«
    »Nordbad. Wo wohnst du?«
    Er wußte, wo sie wohnte. Er hatte eine Nacht in der Kälte seines alten Passat verbracht, um es herauszufinden.
    »Elisabethstraße«, sagte Linda. »Kommst du echt zufällig hier vorbei?«
    Sie glaubte es nicht. Aber sie wollte ihn in Sicherheit wiegen. Beinah hätte sie vorhin geseufzt, aus Freude, ihn zu sehen. Sie überquerte die Hiltenspergerstraße.
    »Reiner Zufall. Mein Arbeitskollege wohnt Ecke Schleißheimer, in dem braunen Haus zum Park hin.«
    Er zeigte in die Richtung.
    »Das kenn ich«, sagte sie neben der Fahrertür. Vom Gewicht des Rucksacks tat ihr der Rücken weh.
    Fallnik streckte den Kopf aus dem Fenster. »Ich muß weiter, steigst du jetzt ein?«
    Aus einer schmalen Seitenstraße kam eine vor sich hin murmelnde alte Frau mit einem weißgrauen Pudel an der Leine. Sie warf einen kritischen Blick auf das Auto. Das Mädchen klappte den Beifahrersitz nach vorn, warf den Rucksack auf die Rückbank, setzte sich neben den Fahrer und schlug die Tür zu. Es war Viertel nach vier und fast dunkel. Die Frau zerrte an der Leine und machte sich, unverständliche Worte auf ihren Hund einredend, auf den Weg zum Luitpoldpark.
    Das Auto fuhr im Schrittempo.
    An der Einmündung der Hiltenspergerstraße in die mehrspurige Karl-Theodor-Straße, die am Südteil des Parks entlangführt, drehte sich die Alte noch einmal um. Sie sah, wie in der Ferne rote Bremslichter kurz aufleuchteten, aber ob sie von dem Auto stammten, in das das Mädchen eingestiegen war, konnte sie nicht erkennen. Außerdem bellte ihr Pudel und brachte sie zur Weißglut.
    Fallnik war mehrmals versehentlich aufs Bremspedal gestiegen.
    Das Mädchen wehrte sich immer noch, obwohl er ihren Kopf mit voller Wucht gegen das Armaturenbrett geschlagen und ihr mit der Faust in den Bauch geboxt hatte. Sie brachte nur noch ein Gurgeln hervor. Trotzdem strampelte sie weiter mit den Beinen.
    Er brauchte eine Weile, bis er ihr mit dem Paketband den Mund verklebt und ihre Handgelenke aneinandergebunden hatte.
    Dann packte er sie im Nacken und drückte sie unter das Handschuhfach auf den Boden. Mit dem Griff seiner Pistole schlug er ihr auf die Schulter und zielte auf sie.
    »Still sein oder ich erschieß dich.« Wieder trat er aufs Brems- statt aufs Gaspedal. Und aus Wut über sein ungeschicktes Verhalten verpaßte er dem Mädchen einen Schlag auf den Hinterkopf.
    Er trug seinen schwarzen Anorak und seine schwarzen Handschuhe und schwitzte am ganzen Körper.
    Über die Clemensstraße fuhr er zur Schleißheimer Straße und weiter stadtauswärts zur Autobahn. Auch beim Schalten richtete er den Lauf der Waffe auf das Mädchen. Sie schluchzte und bewegte sich nicht.
    Vor dem Petuelring fädelte er auf die linke Spur ein, weil er auf keinen Fall auf der Schleißheimer Straße bleiben wollte. Er summte, als die Ampel auf grün sprang.
    Über ihm, irgendwo, hing die Kamera und überwachte den Stadtteil. Und er war Teil des Stadtteils und Linda bald auch, deren fürsorgliche Eltern in Schwabing bestimmt schon auf sie warteten.
    »Wir sind jetzt zusammen«, sagte er an der Kreuzung zum Frankfurter Ring. »Ich wohn sehr bequem, lauter angenehme Nachbarn, die uns in Ruhe lassen. Freust du dich, Linda?«
    Seine Stimme kam ihm verändert vor, dunkler, kräftiger, entspannter. Wieder begann er zu summen, und er hörte sich intensiv dabei zu.
     
    »Hörst du mich?« fragte er.
    Sie nickte. Das hatte er nicht erwartet.
    Manches von dem, was in den vergangenen neun Stunden geschehen war, hatte er eigentlich nicht erwartet. Aber nun, da er zu Hause und niemand ihm in die Quere gekommen war, dachte er nicht weiter darüber nach.
    Er ließ sie eine Weile nicken, ohne zu verstehen, warum sie nicht damit aufhörte.
    »Laß das.«
    Sie hörte auf zu nicken und starrte ihn an. Ihre Hände und

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