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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Tür hinter sich verriegelt hatte, dann ging er in den Flur und horchte.
    Das Plätschern des Wassers im Waschbecken vermischte sich mit ihrem Weinen. Er schlug gegen die Tür.
    »Aufhören zu heulen.«
    Kurz darauf war es still.
    Fallnik lehnte sich an die Wand, sah im Halbdunkel den Rucksack an der Garderobe und dachte, daß er nicht vergessen durfte, den schwarzen Mantel zu kaufen. Er wußte auch schon, wo.
    Er hörte, wie Linda gurgelte. Er wollte wieder gegen die Tür schlagen. Er mußte eine neue Schnur aus der Küche holen, das Mädchen konnte unmöglich neben ihm schlafen, ohne gefesselt zu sein.
    Der Gedanke gefiel ihm.
    Er griff sich zwischen die Beine. Den Moment, sie auszuziehen, wieder zu fesseln und anschließend zu nehmen, wollte er so lange wie möglich hinauszögern, schon deshalb, weil er hinterher, wie immer, wütend sein und in eine miese Stimmung geraten würde. Woher das kam, wußte er nicht. Ein Naturgesetz.
    Außerdem war der Sex nicht der Grund, warum er sie entführt hatte.
    Oder doch?
    Nein.
    Er wollte sie haben. Das hieß: Sie hatte zu gehorchen und zu bleiben. Solange er wollte.
    Falls sie versuchen sollte abzuhauen, würde er sie erschießen. Und dann sich selbst. Besser, sie gehorchte.
    Bisher, mußte er zugeben, parierte sie außerordentlich. Er hatte damit gerechnet, schlimmere Maßnahmen ergreifen zu müssen.
    Sie parierte.
    Aus dem Badezimmer drang ein Klacken, Metall auf Keramik.
    Fallnik stieß sich von der Wand ab und stellte sich nah vor die Tür. Er hörte sie hantieren.
    »Komm raus.«
    »Ja«, sagte sie.
    Ihre Stimme kam ihm verändert vor, wie seine eigene: klarer, selbstbewußter.
    Obacht, dachte er.
    In dem Moment, als er mit seinem braunen rechten Schuh gegen die Tür treten wollte, drehte Linda den Schlüssel um.
    Fallnik zuckte zusammen.
    Die Tür ging auf.
    Das Mädchen stand direkt vor ihm.
    Sie war nackt.
    Mit offenem Mund starrte er sie an.
    Die blonden Haare fielen auf ihre runden Schultern. Weiße, kleine Brüste. Breite, weiche Hüften. Gewölbter Bauch. Kräftige Oberschenkel. Gekräuselte Schamhaare.
    Sie preßte die Beine aneinander und zitterte. Sie war genauso groß wie er.
    Sekunden vergingen in Schweigen.
    Fallnik atmete lauter als Linda, aber er bemerkte es nicht.
    »Tu’s gleich«, sagte sie. »Bitte, Arthur.«
    Er sah die Verfärbungen an ihrem Nacken und auf ihrer Schulter. Er sah die Striemen an ihren Händen und Füßen. Er sah ihre geröteten Wangen und ihre blauen, großen Augen. Sie roch nach seiner Seife. Sie schwankte ein wenig. Oder er?
    Er hörte sein eigenes Keuchen nicht.
    Ihr Bauch vibrierte.
    Er schnupperte. Aber alles, was er wahrnahm, war der Geruch nach seiner Seife. Als würde er sich selber riechen.
    Endlich brachte er ein Wort heraus.
    »Was?«
    Und während der ganzen Zeit, in der er, vollkommen überfordert von der unbegreiflichen Nacktheit des Mädchens, wie festgezurrt dastand, kratzte er sich den rechten Daumen blutig.

12 So ein schönes Leben
    W er war der Typ?« fragte Stefanie.
    »Weiß nicht.«
    »Du kennst den nicht?«
    »Nein, reg dich wieder ab.«
    »Was wollte der von dir?«
    »Nichts. Wieso ist das Bier aus?«
    »Wo warst du die ganze Zeit?« fragte Ellen.
    »Spazieren.«
    »Mit dem Typ?« fragte Ellen.
    Linda trat gegen den Kasten mit den leeren Flaschen und sah sich um.
    Auf der Aussichtsplattform beim Eisenkreuz drängten sich immer noch Leute. Am Nordhang, wo sie früher Schlitten gefahren waren, hingen nur noch ein paar Jugendliche ab, sie rauchten und ließen die letzten Biere kreisen.
    »Hat er dich angemacht?« fragte Ellen.
    »Du warst auf einmal verschwunden«, sagte Stefanie.
    Leider bin ich wiedergekommen, dachte Linda und sagte: »Das ist ein Bekannter meines Vaters, ein Journalist, der schreibt was über Silvester und was da so abgeht in der Stadt.«
    »Wie ein Journalist sah der aber nicht aus«, sagte Stefanie und nahm ihrer Freundin Ellen die Zigarette aus dem Mund und zog gierig daran.
    »Hey«, rief Ellen und holte sich die Kippe zurück.
    »Der sah eher wie ein Penner aus«, sagte Stefanie.
    »Du nervst.« Linda steckte die Hände in die Manteltaschen und fing wieder Nikos Blick auf, der mit seinen Kumpeln einen Joint rauchte und dauernd zu ihr hersah. Sie kannten sich aus dem Jennerwein, einer Schwabinger Kneipe, wo Linda fast jeden Samstagabend verbrachte. Niko war ein Jahr älter als sie und seltsamerweise immer zur Stelle, wenn sie gerade Feuer brauchte.
    »Jetzt red schon, wer ist der Typ?

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