Hinter blinden Fenstern
der Flasche, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und trat einen Schritt auf ihn zu.
Er roch ihren Atem, Alkohol und Nikotin.
Und sie sagte: Ich will Spazierengehen.
Er folgte ihr den Hügel hinunter. Sie hatte keinem ihrer Freunde Bescheid gesagt, sie war losgegangen, ohne sich umzudrehen. Er hatte bemerkt, wie einige der Jugendlichen die Köpfe drehten und tuschelten.
Im Park gingen sie quer über die Wiesen. An der Treppe zum südlichen Teil, wo die Karl-Theodor-Straße entlangführte, blieb Linda stehen, küßte ihn auf den Mund und drückte sich an ihn. Und er krallte die Hände in ihren Hintern. Und das Leder des Mantels fühlte sich hart und provozierend an.
So tief er konnte, stieß er mit der Zunge in ihren Mund. Sie ließ es geschehen.
Dann stemmte sie beide Hände gegen seine Brust, beugte sich nach hinten und sah ihn mit verschlossener Miene lange an.
Beim Weggehen drehte sie sich noch einmal zu ihm um. Vielleicht sehen wir uns mal wieder, Arthur, sagte sie.
Und er: Bestimmt, Linda.
11 Das gehorsame Mädchen
I m Türrahmen betrachtete er die Innenflächen seiner Hände, wie vor neun Tagen nach der Rückkehr aus dem Park. Als wäre da der Abdruck ihres ledernen Hinterns. Als wären seine Hände ein Beweis für alles, was geschah, und würden ihn von der Furcht befreien, die auf ihn lauerte, wie schon vor neun Tagen, als er den Entschluß gefaßt hatte, seinem blöden Leben im letzten Moment eine Wendung zu verpassen.
»Hörst du mich?« rief er mit gedämpfter Stimme.
Die Pistole hatte er in den Gürtel geklemmt, die rechte Hand auf dem Griff.
»Ja.« Ihre heisere Stimme war kaum zu verstehen.
»Hast du Angst?« Nach einem Schritt ins Zimmer blieb er stehen.
Sie ließ sich mit der Antwort Zeit, das gefiel ihm nicht. Er zog die Pistole aus dem Gürtel.
»Ein bißchen.« Sie keuchte und versuchte wieder, den Kopf zu heben, trotz der Schmerzen. »Kannst du mir nicht … die Fesseln … abnehmen?«
Sie leckte sich die Lippen und schmatzte und wimmerte. »Nur an … den Händen … bitte. Ich … lauf nicht … weg und schrei … schrei auch nicht. Ich schwör’s dir … Arthur.«
Er dachte nach. Was sollte sie anstellen, wenn ihre Beine gefesselt blieben? Andererseits, warum sollte sie stillhalten? Und warum schrie sie nicht? Aus Angst? Warum sonst? Er war bewaffnet, er war dreißig Jahre älter als sie, er hatte nichts zu verlieren.
»Arthur.«
Ihre Stimme verwirrte ihn.
»Brauchst keine Angst … haben, ich schrei … nicht. Ich tu … was du willst. Hab doch … keine Angst vor mir …«
Denkst du, ich hab Angst vor dir? dachte er und sagte: »Ich erschieß dich, wenn du dich wehrst.«
»Ich wehr mich nicht, Arthur«, sagte sie mit einer Stimme, deren sanfter Klang ihn auf beinah unerträgliche Weise erregte.
Er machte einen Schritt und verharrte.
»Bitte.« Sie ruckte mit der Schulter, schob ihren Kopf auf das Kissen und gab keinen Laut mehr von sich.
Auf Zehenspitzen ging Fallnik zum Bett. Er fuchtelte mit der Pistole, warf einen Blick auf Lindas aufgeschürfte, blutende Handgelenke, überlegte, was zu tun sei, und mußte unwillkürlich an die Frau denken, die in der Kneipe an ihm herumgefummelt hatte. Später in ihrer Wohnung war sie vor ihm auf die Knie gefallen und hatte ihm die Hose heruntergerissen, und er hatte ihr, weil sie ihren Mund nicht wegnahm, mit der Faust auf den Kopf geschlagen. Sie robbte über den Boden und heulte, was ihn nur noch wütender machte. Sie blutete und tastete nach ihm, weil ihr linkes Auge zugeschwollen war. Nie wieder, darauf wettete er, würde diese Frau an einem fremden Mann herumpfriemeln.
Er wollte nicht an die Frau denken.
Er lief in die Küche, holte eine Schere, schnitt die Schnüre an Lindas Handgelenken durch und legte Schere und Pistole auf den Tisch neben dem Fernseher.
Lindas Arme waren kraftlos aufs Laken gefallen. Sie horchte, den Kopf immer noch unter dem Kissen vergraben. Zaghaft steckte sie erst den einen, dann den anderen Arm unter die Decke und hinterließ rote Schlieren auf dem Laken. Vor Erleichterung begann sie zu weinen.
»Ich will deinen Kopf sehen«, sagte Fallnik vom Tisch aus.
Sie schüttelte das Kissen ab. »Danke«, flüsterte sie.
»Wenn du schreist, erschieß ich dich.«
Es kam ihm vor, als würde sie lächeln. Er zog die Stirn in Falten und streckte den Kopf vor.
Linda rieb mit der Wange über das Laken. Sie wollte aufhören zu weinen, aber die Tränen liefen unaufhörlich aus ihren
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