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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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weil niemand was riecht. Oder daß da einer rumschleicht und kleinen Mädchen hinterherlinst und die dann verschleppt und umbringt. Oder kleine Jungs. Der AMM will das verhindern. Große Idee von dem Soltersbusch. Angeblich hat er schon Kontakte in allen Stadtteilen, der AMM muß überall präsent sein, sonst hat er keinen Sinn. Vor genau einem Jahr hat er seine Organisation gegründet, am ersten Januar.«
    Er ruckte aufgeregt mit dem Stuhl und nickte. »Wir sind hier. Und jetzt wollen wir mal testen, ob der AMM was taugt. Einverstanden? Einverstanden? Einverstanden?«
    Sie nickte ein wenig.
    »Ob die uns kriegen. Hier im Viertel sind die ja schon vernetzt. Keine Ahnung, wie viele Mitglieder das Bündnis hat. Genaueres erfährt man erst, wenn man direkt dabei ist. Wenn man aufgenommen wird. Glaubst du, der steht morgen früh vor der Tür, der Soltersbusch? Hm?«
    »Nein.«
    »Was?«
    »Nein«, sagte sie mit kehliger Stimme.
    »Nein.« Fallnik kratzte sich mit dem Nagel des Zeigefingers am Daumen, immer an derselben Stelle, und leckte einen Blutstropfen ab. »Nein. Uns erwischt der nicht. Wetten?«
    »Warum hast du mich entführt, Arthur?«
    Er steckte den Daumen in den Mund und sog daran. Er betrachtete die aufgekratzte Stelle und rieb die Hand am Hosenbein.
    »Weil ich dich haben wollt«, sagte er. »Und ich hab gehofft, du hast am ersten Schultag wieder deinen Ledermantel an. Warum hast du den nicht angezogen?«
    »Meine Eltern …« begann sie, verschluckte sich und hustete und hielt für Sekunden beide Hände vors Gesicht. »Ich hab … so Kopfweh …«
    »Kenn ich. Geht weg.«
    Sie preßte die Hände aufs Gesicht und nahm sie mit einem Ruck weg. »Meine Eltern … die hassen den Mantel. Meine Mutter wollt … wollt ihn schon wegschmeißen … in den Müllcontainer … vor meinen Augen. Ich hab ihn ihr aus … aus der Hand gerissen und eine Woche … nicht … mit ihr geredet. Heut hätt sie einen Aufstand … gemacht, wenn ich den Mantel angezogen hätt … und ich … wollt meine … Ruhe …« Erschöpft schloß sie die Augen.
    »Ich kann ihn ja holen«, sagte Fallnik.
    Fast gelang ihr ein Lächeln.
    »Ich hol den Mantel morgen. Du hast doch einen Schlüssel für die Wohnung. Oder nicht?«
    »Doch«, sagte sie sehr leise.
    »Wann sind deine Eltern nicht zu Hause?«
    »Meine Mutter … am Vormittag …«
    »Jeden Tag?«
    »Ja. Und mein Vater, wenn er … einen Auftrag hat, er ist … Fotograf, freier … Fotograf für … Zeitungen und Magazine …«
    »Ist er morgen früh unterwegs? Heut früh, mein ich, ist er da weg?«
    »Weiß nicht, ja … ich glaub … Ja.«
    »Ich hol deinen Ledermantel und den ziehst du dann hier an, jeden Tag. Wo ist der Schlüssel?«
    »Im … im Rucksack in … der Außentasche … oben. Aber … aber …«
    »Was aber?«
    »Die Polizei wird doch da sein … meine Mutter geht bestimmt nicht in die Praxis, wenn ich … verschwunden bin.«
    Angewidert verzog er das Gesicht. »Scheiß auf den Mantel. Ich kauf dir einen neuen. Ich kenn mich aus mit Mänteln. Du hast Größe achtunddreißig, das seh ich. Morgen hol ich den. Den gleichen wie deinen.« Er starrte ihr ins Gesicht. »Hast du keine Angst?«
    »Doch«, flüsterte sie.
    »Gut. Mußt du aufs Klo?«
    »Ja.«
    »Wenn ich dich losbind und du versuchst wegzulaufen, was passiert dann?«
    »Dann erschießt du mich.«
    »Das glaubst du nicht, oder?«
    »Doch.«
    »Nein.«
    »Doch, du erschießt mich, das … glaub ich.«
    »Hältst du mich für einen Mörder?«
    »Nein.«
    »Aber wenn ich dich erschieß, bin ich ein Mörder.«
    Sie holte Luft, röchelte, preßte unter der Decke die Beine aneinander. »Nein … Du bist dann nur … konsequent …«
    »Red nicht so altklug daher.«
    »Ich bin so müde.«
    »Dann schlaf und halt den Mund.«
    »Und du?«
    »Was ich?«
    »Was machst du?«
    »Mußt du immer noch aufs Klo?«
    Sie nickte.
    Wortlos holte Fallnik die Schere vom Tisch, schnitt die Schnüre an ihren Füßen durch und zeigte mit den Spitzen der Schere auf Linda.
    »Beeil dich.«
    Bevor sie die Beine auf den Boden stellte, zog sie sie an den Körper und streckte sie wieder. Ihre aufgeschürften Fußgelenke bluteten kaum, und sie wunderte sich darüber.
    Beim Gehen taumelte sie. Sie streckte die Arme von sich.
    Fallnik beobachtete sie reglos.
    Ihr dunkelroter Rollkragenpullover hing ihr bis über den Hintern, den Fallnik in der schwarzen engen Jeans breit und unförmig fand. Er wartete, bis sie im Badezimmer verschwunden war und die

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