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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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ließ.
    Vor der Tür blieb er stehen, die Hände in den Taschen seiner braunen abgewetzten Hose. Er fror. Zur Hose trug er ein kariertes graues Hemd, darunter ein ausgewaschenes grünes T-Shirt, weiße Socken und Sandalen. Die Socken hatte er seit mindestens einer Woche nicht gewechselt. Solange er keinen schlechten Geruch an sich wahrnahm, würde er sich nicht umziehen. Er schnupperte unter seinen Achseln.
    Wieder schlug jemand gegen die Tür.
    »Ja?« sagte Madaira. Aber die Stimme versickerte in seinem ausgetrockneten Mund.
    »Herr Madaira?« Die Stimme im Treppenhaus klang willensstark.
    »Ja?« Madaira hustete. »Ja?«
    »Kriminalpolizei. Entschuldigen Sie die Störung. Wir müssen Sie dringend sprechen.«
    Ohne sich Gedanken zu machen, drehte Madaira den Schlüssel und zog die Tür einen Spaltbreit auf. Vor ihm stand ein hünenhafter, breitschultriger Mann in einem dunkelblauen Mantel, mit einem Stetson auf dem Kopf, der ihn noch größer erscheinen ließ. Hinter ihm bemerkte Madaira einen kleineren, jüngeren Mann in einer gemusterter Steppjacke, der eine Aktenmappe in der Hand hielt.
    »Ja?«
    »Sie sind Walter Madaira?«
    »Ja.«
    »Mein Name ist Polonius Fischer.« Er zeigte seinen Dienstausweis. Madaira sah nicht hin.
    »Zu mir wollen Sie? Warum?« Er räusperte sich, versuchte, sein Zittern zu kontrollieren.
    »Sind Sie krank, Herr Madaira?« fragte Fischer.
    Madaira schüttelte den Kopf. Das Brummen in seinem Kopf wurde stärker.
    »Wir suchen ein Mädchen«, sagte der Mann hinter dem Hünen. »Sie heißt Linda. Kennen Sie sie?«
    »Linda? Nein. Wer ist das, bitte?«
    Fischer warf einen Blick an Madaira vorbei in die Wohnung. »Haben Sie das Bild des Mädchens nicht in der Zeitung gesehen?«
    »Nein. Ich hab keine Zeitung hier. Ich hör nur Musik.«
    »Was für Musik?«
    »Dylan.«
    »Dürfen wir reinkommen, Herr Madaira?«
    Er führte sie ins Wohnzimmer und auf die Bitte des Kommissars, der seinen Hut abgenommen hatte, auch ins Schlaf- und Badezimmer und in das Zimmer, in dem Jana ihre Sachen aufbewahrt hatte, und in die Küche. Der jüngere Kommissar, fiel Madaira auf, schaute in jeden Winkel.
    Vor dem Landschaftsposter sagte Fischer: »Hier sitzen Sie und hören Musik.«
    Abwesend deutete Madaira auf den weißen Plastikstuhl.
    »Den Namen Linda Gabriel haben Sie noch nie gehört?«
    »Nein. Ich hör nicht viele Namen. Ich geh wenig aus.«
    »Sie sind Schauspieler von Beruf.«
    »Sprecher. Ich spreche. Spielen weniger. Hat sich zerschlagen. Würden Sie mich bitte wieder allein lassen? Ich hab gar nicht verstanden, was Sie hier suchen. Was suchen Sie denn, bitte?«
    »Warum haben Sie nicht geöffnet, als unsere Kollegen heute Vormittag bei Ihnen geklingelt haben.«
    »Ich hab Dylan gehört«, sagte Madaira. »Über Kopfhörer. Vorhin hab ich grad Pause gemacht.«
    »Sie sehen sehr müde aus.«
    »Ja.« Madaira biß sich auf die Lippen.
    Der Kommissar mit der karierten Jacke, der sich noch nicht vorgestellt hatte, betrachtete die halb zugezogenen Vorhänge.
    »Haben Sie Kontakt mit Ihren Nachbarn?«
    »Wir begegnen uns«, sagte Madaira. Plötzlich knurrte sein Magen. Er schluckte ein paarmal hintereinander und blickte zu dem tragbaren CD-Player auf dem Tisch.
    »Sie haben seit mehreren Tagen Ihre Wohnung nicht verlassen«, sagte der Kommissar mit der Aktenmappe.
    »Draußen ist nichts«, sagte Madaira.
    Fischer nahm die CD-Schachtel in die Hand.
    Während seiner neun Jahre im Kloster hatte er einen Mitbruder gekannt, der jede freie Minute mit dem Studium der Texte von Bob Dylan verbrachte, er fertigte Übersetzungen an und las diese und das Original manchmal bei den gemeinsamen Mahlzeiten vor. Fischer erinnerte sich an keine einzige Zeile, nur daran, daß sein Mitbruder sogar eine Gitarre gekauft und sich das Spielen selbst beigebracht hatte, er wolle, erklärte er, dem Atem des großen Dichters und Sängers näher sein. Für den Abt – und nicht nur für ihn – war Bruder Laurentius eher ein eigenbrötlerischer Zausel als ein ernsthafter Exeget amerikanischer Folkmusik.
    »Modern Times«, las Fischer. Auf dem Schwarzweißcover blinkten Großstadtlichter hinter einem unscharfen vorüberfahrenden Auto, einem Taxi vielleicht.
    »Glauben Sie an Gott?« fragte Madaira.
    Überrascht lächelte Polonius Fischer. »Ja«, sagte er.
    Madaira nahm ihm die Schachtel aus der Hand. »Ja. Aber haben Sie ihn schon einmal singen hören?«

ZWEITER TEIL

16 Ein ganz normaler Mensch
    N achdem die vier für unbekannte

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