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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Tote zuständigen Kommissare die Leiche aus dem Container gehoben und auf die graue Plane gelegt, den Mann entkleidet, fotografiert, seine Fingerabdrücke genommen, mit einem Wattestäbchen seinen Rachen abgetupft und auf die Hautstellen neben den Wunden kleine Plastikstreifen geklebt und wieder abgezogen hatten, verließen sie das Müllhäuschen.
    Draußen nickten sie ihren beiden Kollegen von der Mordkommission zu, die im Innenhof einen Nachbarn vernahmen. Beim Durchgang zur Straße waren uniformierte Polizisten damit beschäftigt, die Fragen von Neugierigen zu beantworten, indem sie ihnen keine Auskünfte gaben. Von den meisten Fenstern der beiden Wohnanlagen, die den Hof säumten, beobachteten Anwohner das Geschehen.
    Einige hielten die Fenster geschlossen und schauten hinter Gardinen hervor. Unter ihnen ein Mann, der seit einer Stunde hinter dem Vorhang ausharrte.
    Er ließ die Polizisten nicht aus den Augen. Ab und zu wandte er sich kurz um und verzog das Gesicht und preßte krampfhaft die Lippen aufeinander. Im Zimmer roch es nach Schweiß und angebranntem Essen.
    Jetzt sah er, wie der großgewachsene Polizist mit dem dunklen Sakko und der roten Krawatte, der ihm schon eine ganze Weile aufgefallen war, weil der Volldepp von Soltersbusch unaufhörlich auf ihn einredete, den Kopf hob und in seine Richtung blickte.
    Hastig wich er ins Zimmer zurück. Aber er war sich sicher, daß der Polizist ihn nicht bemerkt hatte. Kein Polizist hatte in den vergangenen acht Monaten von ihm Notiz genommen. Dieser Gedanke versetzte ihn jedesmal in Hochstimmung.
    Unbeschwert trat er wieder an den Vorhang, schob ihn eine Handbreit beiseite und beugte sich zur Scheibe hin. Der große Polizist war verschwunden, und sein Kollege hatte offensichtlich Mühe, den Schwätzer Soltersbusch loszuwerden.
    Mit dem Zeigefinger kratzte sich Arthur Fallnik am Daumen, nicht zu fest, fast aus Vergnügen.
     
    »Das weiß ich schon«, sagte Oberkommissar Micha Schell. »Wir haben Ihnen gut zugehört, Herr Soltersbusch.«
    »Ich will nur, daß Sie Bescheid wissen.«
    »Gehen Sie jetzt bitte nach Hause.«
    »Ich bin hier zu Hause.«
    »Kümmern Sie sich um Ihre Frau.«
    »Die kommt zurecht.«
    »Vorhin ging es ihr nicht sehr gut«, sagte Schell.
    »Die schafft das.«
    »Gehen Sie zu ihr, Herr Soltersbusch.«
    »Ungern.«
    »Gehen Sie.«
    »Vergessen Sie nicht, die Aufzeichnungen der Kamera auszuwerten.«
    »Nein«, sagte Schell.
    Am Durchgang zur Straße fragte Soltersbusch einen der Polizisten nach seinem Dienstgrad.
     
    Im Müllhäuschen brannte das harte Licht eines Halogenscheinwerfers. Vor den Containern lagen die Scherben und Brocken der Steinamphore, mit der der Mann nach dem ersten Augenschein des Arztes erschlagen worden war. Die Kommissare achteten auf jeden ihrer Schritte.
    »Unter uns und ohne Zeugen«, sagte Dr. Justus Dornkamm zu Polonius Fischer und Micha Schell. »Todeszeit Sonntag nacht.«
    »Nacht zum Sonntag?« fragte Schell.
    »Nacht zum Montag.«
    Mit den Händen in den Hosentaschen, um nicht versehentlich Fingerspuren zu hinterlassen, betrachtete Fischer den von eingetrockneten Wunden und Schorf übersäten Leichnam. Der Schädel war am Scheitel gespalten, der Riß mindestens zwei Zentimeter breit, die Nase ein violett und blau verfärbter Klumpen. Die Augen quollen schief aus den Höhlen, als würde der Mann auch im Tod noch schielen. Runzelige Blasen überzogen seine Füße, Fuß- und Fingernägel waren abgebrochen. Aus dem mageren, eingefallenen Körper wölbte sich eigenartig ein grauer Bauch über dem haarlosen Geschlechtsteil.
    Fischer fiel es schwer, das Alter des Mannes zu schätzen. Wie so oft, wenn er angestrengt nachdachte, warf er den Kopf hin und her und bleckte die Zähne.
    In solchen Momenten galt seine vollkommene Aufmerksamkeit nicht den Dingen, Kleinigkeiten oder Auffälligkeiten, die geschulte Tatortanalysten gewöhnlich für Erkennungszeichen des Verbrechers halten. Fischers Blick durchdrang die schlichte, eisige, abweisende Gegenwart des Todes.
    Scherben, Blut, nutzlos gewordene Kleidungsstücke oder Container: In den Augen von Polonius Fischer verewigte sich nicht der Täter an einem Tatort, sondern dort begann die Ewigkeit des Opfers. Deshalb mußte er still sein und durfte seine Gedanken nicht verschwenden.
    Normalerweise bekam er das Opfer nur ein Mal, vielleicht – wenn der Arzt ihn aus Gründen der besseren Anschauung ausdrücklich darum bat – noch ein zweites Mal im Pathologischen Institut zu

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