Hinter deiner Tür - Aktionspreis (German Edition)
über meinen Bruder zu sprechen. Aber die einzige Nummer, die
auf dem Display erschien, war die von Martina. Sicher wollte sie
ihre Kinder bei mir abliefern. Ich ging nicht ans Telefon. Es sah
und sprach mich niemand. Ich verließ meine Wohnung nicht.
Der Kühlschrank war gefüllt. Ich verhungerte und verdurstete
nicht.
Innerlich war ich wie ausgetrocknet.
27
Als ich mich wieder auf die Straße traute, dauerte es nur
noch vier Tage bis Weihnachten.
Die Tränen waren getrocknet. Klare braune Augen
blickten mich entschlossen an. Mein Spiegelbild lächelte.
Du schaffst das, Süße!
Ich wollte eines meiner neuen körperbetonten Outfits in
Kombination mit dem Push-Up-BH tragen, aber er war zu klein
geworden. Das lag wohl schon an der Schwangerschaft. Na ja,
die Brust-Operation kam eh vor der Geburt nicht mehr in Frage.
Meine Haare waren gewachsen, fielen über meine
Schultern. Das nächste Jahr konnte noch warten. Von nun an
würde alles anders werden. Von nun an änderte Lena Anders ihr
Leben.
Meine Hände rieben langsam über den flachen Bauch.
Das Kind brauchte einen Vater! Und ich sehnte mich so nach
Daniels zärtlichen Berührungen.
Lena, zeig es allen, die es nicht gut mit dir meinen! Lass
dir nichts mehr gefallen, Süße!
Ich schlug die Eingangstür hinter mir zu.
Ein neuer Tag, Montag. Voller Energie ging ich zum Bus,
stieg ein. Die Leute redeten, lachten. Nicht über mich.
Ich beantwortete Thilos SMS, die ich erst an diesem
Morgen entdeckt hatte:
„Hallo Thilo. Nett, dass du dich um mich gesorgt hast.
Mein Handy war eine Weile ausgeschaltet. Alles Weitere erzähle
ich dir. Wollen wir uns treffen? Lena”
Die Antwort kam sofort: „Hallo Lena, wie schön von dir
zu hören! Wie wäre es mit Weihnachtsmarkt? Morgen um acht
am Brunnen an der Marktstätte? Liebe Grüsse Thilo”
Wie jeden Montag fuhr ich zuerst zum Arbeitsamt. Als
ich endlich an die Reihe kam, zitterte meine Stimme ganz leicht.
„Bitte sagen Sie meinem Vater, dass er nur noch
persönlich seine Stellenanzeigen abrufen kann.“
Die Frau sah mich mit großen Augen an.
„Wie Sie meinen, Frau Anders. Kann ich sonst noch was
für sie tun?“
Ihr Blick wurde durchdringender.
„Haben Sie vielleicht freie Stellen für eine Büroarbeit?
Für mich.“
„Das kommt ganz auf Ihre Vorbildung an, Frau Anders.“
„Also, das Abitur habe ich. Ein paar Semester
Verwaltungswissenschaften habe ich studiert.“
„Ist das alles?“
„Ja.“
Ob der Abbruch des Studiums richtig war? Vielleicht
hätte ich es doch schaffen können. Die Mitarbeiterin kam zurück
und riss mich aus meinen Gedanken:
„Na, Sie können es ja trotzdem mal hier versuchen. Viel
Glück.“
Immerhin drei Stellenanzeigen. Alle außerhalb von
Konstanz. Somit müsste ich weiterhin jeden Tag mit dem Bus
oder mit der Bahn fahren.
Als ich mit den Bewerbungsmappen, einigen neuen
Kleidungsstücken für die Vorstellungsgespräche und noch mehr
guten Vorsätzen an meiner Wohnung ankam, warteten Tina,
Jamie und Josy vor meiner Haustür.
„Gut, dass du kommst, Lena, ich muss weg. Bin um zehn
wieder da.“ Mit diesen vertrauten Worten empfing Tina mich.
„Das geht heute nicht. Ich bin verabredet.“
„Du? Verabredet?“ Sie starrte mich entsetzt an.
Dieses Mal war es nicht gelogen.
„Lena, bitte. Es ist wichtig für mich.“
„Nein! Such dir jemand anderen, bei dem du deine Kinder
abschieben kannst.“ Ich stampfte wütend mit dem Fuß auf und
knallte ihr die Tür vor der Nase zu.
Ging doch! Tina entfernte sich schneller, als sie
aufgetaucht war. Aus meinem Leben?
***
Paul ging in seiner Wohnung auf und ab. Er war hin- und
hergerissen. Auf der einen Seite machte er sich Sorgen um Lena.
Er hatte sie mindestens eine Woche nicht gesehen. Mehrmals
hatte er geklopft und ihr Nachrichten geschickt. Warum meldete
sie sich nicht bei mir? Ob sie Verdacht geschöpft hatte?
Dies waren seine Gedanken. Denn er hatte eigene Pläne
mit Lena. Zuerst war das Ganze ein nettes Spiel gewesen. Er
hatte es genossen, Lena zu beobachten. Sie zu analysieren wie
ein Forschungsobjekt. Die Ergebnisse für seine soziologischen
und psychologischen Studien auszuwerten. Dabei war ihm der
Zufall zu Hilfe gekommen.
Eines Abends hatte er eine langhaarige Schöne vor dem
Café Zeitlos gesehen und war ihr gefolgt. Hätte ja seine
Francesca sein können. Nicht, dass er sie kontrollieren würde.
Aber die gleichen Haare, die gleiche
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