Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
Patronengurten aufgeladen war. Die Last war erheblich schwerer, als sie aussah, und brachte ihn ordentlich ins Schwitzen. Die Haut juckte fürchterlich unter den nassen Gummi, doch er wagte es nicht, die Gasmaske abzunehmen.
Von der Position, wo Taran in Deckung gegangen war, hatte man einen hervorragenden Überblick über die Mulde. Die Fahrspur, die der Raketentruck hinterlassen hatte, schlängelte sich zwischen gewaltigen Felsblöcken hindurch und verlief vom einen zum anderen Ende des Kessels.
Nachdem ihre Augen sich an das blendende Weiß des Schnees gewöhnt hatten, hielten Gleb und Taran Ausschau nach den demolierten Mannschaftstransportern. Kein Zweifel: Die Kolonne war überfallen worden. Von oben sah man schockierende Details der Tragödie, die sich dort unten abgespielt haben musste. Die Lukendeckel lagen abgerissen im Schnee, die Fahrzeuge selbst sahen aus wie geöffnete Konservendosen. Im Bodenblech eines Fahrzeugs, das auf der Seite lag, gähnte ein riesiges Loch mit nach außen gebogenen Rändern.
Die Szenerie legte den Schluss nahe, dass kein einziger Mann des Aufklärungstrupps nach Jamantau zurückgekehrt war. Kein Wunder also, dass der Oberst es nicht noch einmal riskieren wollte, Kundschafter zu den Raketensilos nach Jasny zu schicken. Fragte sich nur, was den sicherlich hervorragend ausgerüsteten und gut ausgebildeten Kämpfern zugestoßen war.
Am gegenüberliegenden Rand der Mulde erschien ein wohlbekannter grüner Charakterkopf. Gennadi hatte das MG bereits auf dem Dreibein montiert und war gerade dabei, sich mit der ihm eigenen Gründlichkeit im Schnee einzugraben und vor seiner Stellung eine Brustwehr aus Eisblöcken zu errichten. Als in der Ferne die ersten Motorengeräusche zu hören waren, reckte Dym den Daumen zum Zeichen der Kampfbereitschaft. Dann verschwand er spurlos hinter seiner Deckung.
»Dass du mir ja keinen Unsinn machst«, warnte Taran seinen Stiefsohn. »Deine Aufgabe ist es, den Patronengurt nachzuführen und darauf zu achten, dass sich nichts verklemmt. Alles andere mache ich.«
Gleb nickte, zog sich den Tarnumhang über den Kopf und konzentrierte sich auf die Beobachtung der näher kommenden schwarzen Punkte. Mit jeder Minute wurden sie größer und nahmen langsam Konturen an. Die in Dieselqualm gehüllte Fahrzeugkolonne fuhr, ohne zu zögern, in die Senke hinunter.
Hinter dem T-90 folgten fünf auffrisierte Eigenbau-Jeeps mit übergroßen Rädern, sie man zweifellos von Lastwagen abgeschraubt hatte. Das erhöhte zwar die Geländegängigkeit der bizarren Gefährte, würde den Schützen im Hinterhalt jedoch die Arbeit erleichtern.
»Los!«, drängte Gleb. »Mach schon!«
»Geduld …«
Der Stalker war mit dem Maschinengewehr wie verwachsen und rührte sich nicht, während er die Kolonne durch den Kimmenrahmen beobachtete.
Er zuckt nicht einmal mit der Wimper, wunderte sich Gleb, der selbst schon ein wenig schlotterte, sei es vor Kälte oder wegen des Adrenalins, das ihm so kurz vor dem Kampf in die Glieder schoss.
Das »Strafkommando« war unterdessen bei den demolierten Transportpanzern stehen geblieben. Aus den Jeeps sprangen mit Tarnanzügen bekleidete Kämpfer heraus. Helme, Gasmasken, schusssichere Westen – Sungat hatte nicht an der Ausrüstung für seine Kämpfer gespart.
Seltsam, dass der Oberst von der Aktion nichts mitbekommen hatte …
Die ausgestiegenen Aufklärer schlenderten entspannt herum und verzichteten sogar auf eine Absicherung. Allem Anschein nach rechneten sie in dieser Schneewüste, wo in kilometerweitem Umkreis totale Stille herrschte, nicht mit einem Angriff. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt den Überresten des Kundschaftertrupps, der vor längerer Zeit verschollen gegangen war. Während sie die zerstörten Mannschaftstransporter inspizierten, warfen sie nicht einmal flüchtige Blicke auf die umliegenden Hänge. Nur die Gewehrläufe auf den Jeeps schwenkten uninspiriert umher und vermittelten ein trügerisches Gefühl von Sicherheit.
Gleb drückte sich erschrocken in den Schnee, als plötzlich das Maschinengewehr Feuer spie und eine ohrenbetäubende Kanonade auf sein Trommelfell hämmerte. Wie ein Echo antwortete Dyms MG am gegenüberliegenden Hang.
»Pass auf den Munitionsgurt auf!«, schrie Taran, während er feuerte.
Die Waffe in seiner Hand ruckelte leicht, und die Patronen wurden Stück für Stück in den Verschluss gezogen. Die heißen Hülsen, die das Ungetüm ausspie, fraßen sich zischend und dampfend in den Schnee.
Unten
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