Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
klatschte in die Hände. »Im zweiten Stock! Dort wo das Fenster noch heil ist! Da, schon wieder!«
Die ganze Besatzung starrte wie gebannt auf die Fassaden der Stadt, nur Gleb verharrte auf der anderen Seite und schaute fasziniert aufs indigoblaue Meer hinaus. Denn dort hatte er – gut zwei Kilometer von der Küste entfernt – etwas Unglaubliches entdeckt: einen riesigen, mehrgeschossigen Backsteinbau mit einem rechteckigen Turm und schmalen Fenstern, der aussah wie eine mittelalterliche Festung und im Wasser zu schwimmen schien. Jedenfalls war unter dem Bauwerk kein Festland zu sehen, wodurch der Eindruck entstand, als triebe eine überdimensionale Arche im Meer.
Am Dach des Aussichtsturms schwang jemand beharrlich eine Fackel. Deren Widerschein war es wohl auch, den Gennadi in einem der Fenster gesehen hatte.
»Wie lange wollt ihr euch eigentlich noch von einer Lichtspiegelung zum Narren halten lassen?«, erkundigte sich der Junge frech.
Konsterniert wogte die Menge zur anderen Seite und beobachtete das Treiben des Fackelschwingers. Euphorie machte sich breit. Kein Wunder, hatten die Abenteurer doch endlich eine Siedlung Überlebender entdeckt, die von den Steppenhunden verschont geblieben war.
Der Stalker hatte die ernste Miene seines Stiefsohns bemerkt und hielt sich mit Jubelbekundungen ebenfalls zurück. Zu oft schon hatten sie sich während der Reise zu früh über eine vermeintlich großartige Entdeckung gefreut und dann eine bittere Enttäuschung erlebt.
Als die anderen die Reserviertheit ihres Kommandeurs bemerkten, verstummten sie und warteten gespannt auf seine Reaktion. Taran beobachtete die Szenerie eine Weile durch das Bullauge, dann ging er zurück in die Fahrerkabine und wendete die »Ameise« um neunzig Grad, sodass ihre Nase zum Wasser zeigte.
Die beiden Lichtsäulen der Scheinwerfer durchdrangen die Finsternis, verloschen kurz und leuchteten wieder auf … Daraufhin verschwand auch das Feuer am Turm für einen kurzen Moment und tauchte wieder auf. Die Bewohner der Meeresfestung antworteten, indem sie die Fackel kurz hinter der Mauerkante verbargen.
»Migalytsch, beherrschst du das Morsealphabet?«
»Das will ich doch meinen, Kommandeur!«
»Dann betätige dich mal an der Lichthupe. Versuch herauszufinden, was das für Leute sind und was sie wollen.« Taran machte den Fahrersitz frei und griff nach seiner Dragunow. »Ich steige inzwischen in den Turm und schaue mir dieses seltsame Fort durch das Zielfernrohr an.«
»Dann werde ich denen mal was rüberfunzeln«, sagte der Alte und schwang sich auf den Fahrersitz. »Zu dem Fort kann ich dir übrigens auch selbst was erzählen. Ein Bekannter von mir hat in Kaspisk gedient …«
Der Stalker blieb auf halbem Weg zum MG -Nest stehen und lauschte gespannt.
»Das ist das sogenannte Werk Nr. 8 des Rüstungsbetriebs Dagdisel«, begann Migalytsch zu erzählen. »Im Prinzip handelt es sich um eine Erprobungsstation für Marinewaffen, speziell für Torpedos. Damit ist wohl auch klar, warum man es in so großer Entfernung zur Stadt platziert hat. Ihr müsst euch mal vorstellen, was es für ein gewaltiger technischer Aufwand war, den Koloss mitten im Meer hochzuziehen! Man hat am Ufer eine riesige Baugrube ausgehoben und dort einen vierzehn Meter hohen Stahlbetonkasten hineingebaut. Dann hat man die künstliche Barriere zwischen Wasser und Grube entfernt. Der Kasten begann zu schwimmen und wurde zur Baustelle im Meer geschleppt. Dort hat man ihn mit Wasser gefüllt und dadurch abgesenkt. Auf diesem gigantischen Fundament wurde das Werk errichtet …«
»Dass so etwas möglich ist …«, staunte Gleb.
»Aber sicher doch«, erwiderte der Alte. »Früher hat man sogar Flüsse in die Gegenrichtung umgelenkt, dagegen ist eine Fabrik im Meer ein Klacks.«
»Aber was haben diese Spinner dort drüben verloren?«, warf Gennadi ein. »Die Radioaktivität in der Stadt ist erträglich, und genügend Keller zum Wohnen gäbe es auch.«
»Weiß der Henker, was die Typen dort wollen«, pflichtete Migalytsch achselzuckend bei. »Andererseits ist eine mehr als zwei Kilometer breite Badewanne kein schlechter Schutz gegen wasserscheue Bestien …«
»Das ist jetzt nicht das Wichtigste, was wir herausfinden müssen«, gab Taran zu bedenken. »Los, Migalytsch, nimm Kontakt zu diesen Ureinwohnern auf, bevor sie uns eine ihrer supergeheimen Krawallmurmeln an den Kopf schießen. Sag ihnen, dass wir in friedlicher Absicht hier sind oder so was in der Art.«
»Wird
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